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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Hure.
    »In Ordnung«, sagte er leise. »Mach keine Varieténummer daraus, wie du in den Pickup kommst. Sobald du mich siehst, setzt du deinen Arsch in Bewegung und steigst ein.«
    Er schaute im Laden umher, um zu sehen, ob Mrs. Goodenough irgendwo in Hörweite war. Er konnte ihren Schatten sehen, der sich hinter der grünen Perlenportiere hin und her bewegte, und hörte sie singen, mit feiner hoher Stimme.
    »Robard?«
    »Was?«
    »Wir fahren doch nach Memphis, oder? Du fährst mich nicht bloß nach Clarksdale oder zu irgend so ’nem kleinen scheußlichen Drecksmotel, oder?«
    »Nein, Süße«, sagte er. »Ich sagte doch, wir fahren.«
    »Dann kann ich’s kaum noch erwarten«, sagte sie. Ihr wurde ganz schwindlig. »Ich bin schon ganz scharf aufs Peabody und diese Duschen.«
    »Nur bummel nicht rum«, sagte er.
    »Ich bummel schon nicht«, sagte sie und senkte ihre Stimme. »Aber ich bumse vielleicht ’n bißchen.« Und sie legte auf.
    Er ging den Gang hinunter, und sein Ohr schmerzte so, daß er es nicht anfassen konnte, und er hoffte die ganze Zeit, daß er aus dem Laden käme, ohne Mrs. Goodenough zu sehen. Aber sie tauchte auf, sobald er aufgelegt hatte, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und roch nach Gurken.
    »Das Telefon hat Ihnen wohl ganz schön das Ohr zerdrückt«, sagte sie einfühlsam, als wäre es ihr peinlich, daß es sich so benommen hatte.
    »Es geht schon wieder weg«, sagte er und griff nach dem Türknauf. »Wollen Sie vielleicht eine Postkarte kaufen?« fragte sie, lächelte und demonstrierte einen Anflug von Geschäftstüchtigkeit. Er warf einen Blick nach draußen und drehte einmal überflüssigerweise am Knauf.
    »Warum nicht?« sagte er und schaute durchs Glas hinaus.
    Mrs. Goodenough glitt hinter den Metallkäfig und drückte das Metallgitter hoch.
    »Und hier sind wir im Postamt«, sagte sie und holte eine Roi-Tan-Schachtel unter dem Tresen hervor und stellte sie zwischen sie. Sie schnippte den Deckel ab und hielt ihm die Schachtel hin und stupste ein paar Karten in ihrer Nähe mit dem Finger an.
    Die Karten rochen, als hätte sie sie in einem Brunnen aufbewahrt. Mrs. Goodenough runzelte die Stirn, und der muffige Geruch zog in den Raum ab.
    »Ich kann die beschriebenen mit Pattex in Ordnung bringen«, sagte sie, ging die Schachtel an ihrer Seite durch, nahm gelegentlich eine Postkarte heraus und betrachtete sie entzückt.
    Er blätterte sie durch, stieß auf ein Bild von Präsident Truman und eins von Präsident Hoover und grub in der Schachtel herum, bis sein Finger auf Grund stieß, und hoffte, er könnte endlich gehen. Er nahm sich einen großen Haufen heraus und ging sie schnell durch.
    »Ich hab ’ne Menge Präsidenten«, meinte Mrs. Goodenough und schaute zu, wie die Karten vorbeiflitzten. Sie hatte das Kinn auf die Handballen gestützt. Eine Postkarte von Präsident Roosevelt, der vor einem Kamin saß und einen Hund tätschelte, huschte vorbei. Mrs. Goodenough sah verblüfft aus. »Es gibt Leute, die sagen, es war nicht der Bürgerkrieg, der das Land ruiniert hat, es war der Krüppel.«
    »Ich weiß nicht, was schuld dran war«, sagte er.
    »Na ja, ein einzelner Mann allein hat sowieso nie schuld an irgendwas«, sagte sie engagiert.
    »Ja, Ma’am«, sagte er.
    Sein Blick fiel auf eine Fotografie, ein müder Mann, der mitten auf einem Acker stand und eine Hacke in der Hand hielt und ein Häckselmesser. Der Mann trug einen schlammigen Overall und verdreckte Schuhe. Sein Haar glänzte, und er hatte seinen Mund zu einem breiten Lächeln verzogen. Das Foto war retuschiert worden, damit es alt aussah, und unten am Rand waren die Worte aufgedruckt »Herausragend auf seinem Feld«. Er starrte die Karte lange an und nahm sie aus der Schachtel und legte sie auf ein Bild von der Liberty Bell.
    »Die will ich«, sagte er.
    Mrs. Goodenough versuchte, über die Karte zu schielen, und hielt den Stapel mit ihren Favoriten zwischen ihren Fingern.
    Er wedelte mit der Karte. »Diese hier«, sagte er.
    Das Lächeln schwand aus ihrem Gesicht, und sie bot ihm den Stapel in ihrer Hand an. » Die  sind komisch«, sagte sie und versuchte, die Flüchtlinge wieder einzusammeln. »Die könnten Ihnen auch gefallen.«
    Er prüfte den Platz zum Schreiben auf der Rückseite der Karte. »Mir gefällt diese hier«, sagte er. »Der sieht so aus, als hätte er seinen großen Tag gehabt.«
    »Er sieht wirklich so aus«, sagte Mrs. Goodenough steif. Sie tätschelte ihre eigene Auswahl hingebungsvoll.

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