Ein Stueck meines Herzens
wurde.
»Haben Sie schon jemanden verjagt?« fragte Newel. Newel schaute in die gleiche Richtung, als hätten sie beide etwas im Wasser entdeckt.
»Nicht mal annähernd.«
»Mr. Lamb sagte, es käme niemand«, sagte Newel.
»Das überrascht mich nicht«, sagte er. »Ich hab immer noch keinen Truthahn gesehen.« Er machte es sich auf dem Trittbrett bequem. »Ich bin fünfundzwanzigmal rumgefahren, und ab und zu habe ich angehalten und so ’n leichtes Kollern losgelassen und gehorcht, weil man sie sonst immer hören kann, wie sie herumstolzieren und versuchen, sich was anzulachen. Aber bis jetzt habe ich nie was gehört. Hier sind keine Truthähne, oder sie sind inzwischen furchtbar schlau geworden und haben sich versteckt und sind ganz leise gewesen, was aber ziemlich unwahrscheinlich ist.«
»Das ist aber traurig«, sagte Newel. »Wenn er glaubt, er hätte Truthähne, und er hat gar keine.«
»Kann einem aber auch keiner was wildern, was man nicht hat«, sagte er und lächelte. »Mit ’nem Waschbär, der nicht da ist, kann man nicht rummachen.«
Newel starrte eine Weile auf den See und legte seine Stirn in Falten. »Erklären Sie mir mal was«, sagte er und seufzte.
Er konnte das Kii-uu des Goldspechts drüben in den Wassereichen hören.
»Und was wäre das?« fragte er.
Newel rückte ein bißchen näher. »Wenn Sie so verdammt viel Wert darauf legen, daß Sie die Dinge im Griff haben, was machen Sie dann eigentlich hier unten?«
Der Vogel ließ nicht ab von seinem Gezeter. Er hörte, wie er in den hohen blättrigen Zweigen mit seinen Flügeln flatterte. »Wenn ich’s Ihnen sagen wollte, hätt ich’s Ihnen schon erzählt, meinen Sie nicht?«
Newels Augen sahen aus, als wären sie kleiner geworden. »Irgendwas stimmt hier aber nicht«, sagte er, »oder Sie wären nicht wieder hier unten. Sie wären da oben in Kalifornien mit Ihrer Frau, oder wo immer Sie wohnen, und hätten alles im Griff. Statt dessen sehen Sie aus wie einer, der zu ’nem Begräbnis von jemandem geht, den er gar nicht gekannt hat.«
Allmählich wurde er ärgerlich. Er rutschte bis zur Kante des Kotflügels vor, so daß er direkt auf Newel hinuntersah. »Vielleicht würde ich nicht so aussehen, wenn Sie mir nicht so auf die Nerven gingen.« Er griff nach der Sicke und drückte sie kräftig zusammen.
Newel stand auf, klopfte den Staub von seiner Hose und ging ein paar Schritte vor, um auf den See hinauszuschauen, als erwarte er, etwas zu erblicken, das von der Wasseroberfläche aufstieg. Die Sonne war kaum noch sichtbar hinter dem Bootslager, eine orangene, formlose Flüssigkeit an der Neigung des Damms.
»Ich seh nicht ein, warum ich mit Ihnen meine Zeit verschwenden soll, wenn ich mich statt dessen damit amüsieren könnte, auf der Insel im Kreis zu fahren.« Er kletterte vom Kotflügel herunter und setzte sich auf den Fahrersitz.
»Sie haben doch irgend ’ne Frau in Helena oder wo immer das ist, die Sie bumsen und die Sie verrückt macht«, sagte Newel laut, drehte sich um und starrte ihn an. »Jedesmal, wenn ich Sie sehe, sehen Sie wie ’n Krimineller aus, also ist es doch bestimmt irgend so ’n Flittchen.«
Er trommelte mit den Fingern auf das Steuerrad, holte tief Luft, ließ sie dann langsam wieder entweichen und starrte auf seine Füße, als schaute er in die Büchse der Pandora. »Also gut«, sagte er und legte seine Hände in den Schoß, so daß seine Ellbogen leicht seine Rippen berührten. »Das beweist doch gar nichts. Ich wette, daß von zehn Dingen, die ein Mann abseits vom Normalen tut, neun zu einer Frau führen, die er irgendwo versteckt hat oder gern verstecken würde.«
»Ist doch egal«, sagte Newel und schaute weg, als wäre er wütend. »Wenn Sie bloß ’ne Nummer abreißen wollen, dann müssen Sie nicht fünftausend Kilometer fahren. Sie bräuchten bloß nach Hause zu gehen, oder die Straße runter, oder nach nebenan. Sie müßten nicht irgendwohin fahren, wo’s Ihnen nicht mal gefällt. Und wenn Sie bloß Angst haben, daß man Sie mit nacktem Schwanz erwischt, dann würden Sie nicht so gucken, wie Sie gucken, nämlich wie einer, der sich über etwas grämt.«
»Ich hab’s jetzt langsam satt, Newel«, sagte er.
»Nur damit Sie Bescheid wissen«, sagte Newel wütend, schaute noch einmal zum See hinaus und drehte sich wieder um.
Er startete den Jeep, holte seine Pistole unter dem Sitz vor und schob sie sich, immer noch ins Taschentuch eingewickelt, in den Gürtel. Der Wald begann
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