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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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»Ich nenne sie  Geschenkartikel «, sagte sie.
    »Sie  sind  zum Verschenken«, sagte er und drehte die Karte um und schaute den Mann mit seinem fröhlichen Gesicht wieder an. Das Lächeln und die Müdigkeit waren beide bloß aufgesetzt, dachte er, und sobald das Foto geschossen war, hatte der Kerl seine Hacke hingeschmissen, sich in irgendeinen Wagen gesetzt und war mit demjenigen, dem die Kamera gehörte, davongefahren und hatte sich in irgendeiner Bar betrunken, und sie hatten darüber gelacht, diese Postkarten zu verscherbeln, nachdem sie es einmal so hingebogen hatten, daß sie echt aussahen, wie ein Mann, der etwas von dem verstand, was die Pose vorzutäuschen suchte.
    »Wieviel?« fragte er und klimperte mit Kleingeld in seiner Handfläche.
    »Fünfzehn für die Karte«, sagte Mrs. Goodenough verdrossen. »Sechs, wenn Sie eine Briefmarke wollen.«
    Er legte einen Quarter oben auf die Schachtel.
    »Möchten Sie eine Sondermarke?« fragte sie und vergaß, daß sie enttäuscht war, und fummelte in einer anderen, verborgenen Schachtel herum. »Ich habe hier eine A&P-Jubiläumsmarke und eine Financial-Patriots-Marke.«
    »Ist mir egal«, sagte er.
    Er nahm die A&P-Jubiläumsmarke, die sie ihm hinüberreichte, und klebte sie auf und steckte die Karte in die Hemdtasche.
    »Wollen Sie sie denn nicht schreiben?« fragte sie, gab ihm vier Cent zurück und sah wieder enttäuscht aus.
    »Ich schreibe sie morgen«, sagte er.
    Sie legte ihre Hände auf den glatten Tresen und lächelte und sagte nichts, als wäre gerade etwas zu Ende gegangen.
    Er kam in dem Moment heraus, als der Bus mit der beleuchteten Memphis-Anzeige vorbeifuhr. Der Fahrer hupte, und durchs Fenster konnte er sehen, wie Mrs. Goodenough ihre Hand vom Tresen hob und winkte, im Düstern immer noch dünn vor sich hin lächelnd, während der Bus durch die Felder verschwand.

2
    Die Jungen warfen ihm einen mißtrauischen Blick zu, als er die Straße wieder zurück zum Lager fuhr, als wäre ihnen schließlich aus dem Nebel ihrer Vergangenheit wieder aufgestiegen, wer er war, und als wären sie nun nicht gerade begeistert darüber, daß er sich immer noch in der Gegend herumtrieb.
    Der Himmel war zu einer konturlosen graublauen Fläche zerlaufen, die sich nach Mississippi hin verlor. Hoch oben hinter ihm hingen schwere weiße Wolken wie Säcke um die Sonne, als stürzten sie mit ihr zusammen auf den Horizont zu. Er dachte, daß es jetzt wohl keinen Regen geben würde und daß das Wetter vielleicht umschlüge und das Wasser in den Feldern rechtzeitig versickern würde, damit sie gepflügt werden konnten.
    Als er an Gaspareaus Hütte vorbeifuhr, stapfte der alte Mann in seinem breitrandigen Hut mit der grünen Sonnenblende aus der zerbrochenen Fliegentür und stand da und beobachtete ihn, während er rückwärts neben Mr. Lambs Lincoln parkte, hinunterging und ins Boot kletterte und lärmend auf den See hinausfuhr. Die Luft auf dem See war kühler als die im Lager, und der Wind kam von Westen her, und das Wasser kräuselte sich zu kleinen Wellen, die das Boot noch schneller in die Richtung trieben, die er einschlug. Auf halber Strecke schaute er zurück, aber Gaspareau stand nicht mehr auf der Haustreppe, und das Lager verlor sich langsam zwischen den Bäumen.
    Er zog das Boot auf das Ufer, drehte es um und schlang die Kette um den Stumpf, den Mr. Lamb zu diesem Zweck rot angemalt hatte. Der alte Mann weigerte sich, irgend etwas abzuschließen, damit er überall mit seinem Jeep herumkutschieren und an alles herankommen konnte, ohne einen Haufen Schlüssel mit sich herumtragen zu müssen.
    Er kroch das Ufer bis dorthin hoch, wo die Weiden das Licht, das auf den Pfad fiel, jadegrün gefärbt hatten. Neben dem Jeep entdeckte er Newels Kopf, der an einem der Reifen lehnte, und seine Schuhe, die er weggeschleudert hatte. Ein Goldspecht stieß aus einer der Weiden herab und schoß den Pfad, der durch die Lichtung führte, fünfzig Meter weit hinunter und erreichte den Wald.
    »Der Alte ist vorbeigekommen«, sagte Newel. »Ich hab ihm erzählt, Sie machten gerade Ihre Kaffeepause. Und er sagte, er fände es gut, daß Sie sich freinehmen, wo immer Sie können, weil Sie sich ja sowieso totarbeiten.«
    Er schabte mit seinem Spann am Trittbrett des Jeeps entlang. »Dann ist ja gut«, sagte er. Er wischte den Schlamm mit dem Finger vom Trittbrett ab und setzte sich und schaute zurück in die Weiden, hinter denen der See lag, der immer noch von der Brise leicht bewegt

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