Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
Vom Netzwerk:
sich in diesem Augenblick braun zu verfärben. »Wieso kümmert Sie das überhaupt?« fragte er leise ins Leere.
    »Das tut es gar nicht«, sagte Newel, kletterte in den Jeep und rieb sich die Arme, als wäre eine Kälte in seine Knochen eingedrungen. »Ich will bloß, daß Sie wissen, daß ich nicht vollkommen bescheuert bin.«
    »Ich denke, dabei werden wir’s wohl erst mal belassen müssen«, sagte er und fuhr los.

3
    Mr. Lamb saß wie ein Sack am Kopfende des Tisches und blickte stirnrunzelnd auf ein Sammelsurium von Arzneimitteln und schielte zwischen den Fläschchen und Dosen durch, als bildeten sie eine Stadt, in deren Straßen er sich nicht auskannte. Landrieu schnaufte in der Küche herum, stellte Töpfe auf die Herdplatten und nahm andere wieder weg und schaute jeden, der ins Haus kam, mit finsterem Ernst an.
    Der alte Mann blickte neugierig zu ihnen auf. Mrs. Lamb saß im Wohnzimmer und hörte mit ihren Kopfhörern Radio. Er setzte sich still Newel gegenüber und versuchte dabei, jegliche Störung zu vermeiden, während der alte Mann, ganz offenbar in giftiger Laune, drohend die Ansammlung von Flaschen musterte, die vor ihm auf der Tischplatte aufgebaut war.
    Der alte Mann hatte eine große blaßblaue Flasche Philipps Magnesium vor sich, ein winziges Fläschchen mit Leberpillen, eine Flasche »Hadacol«, in der sich die Flüssigkeit zu einer bernsteinfarbenen und einer schwarzen Schicht abgesetzt hatte, eine schwarze Flasche Hämorrhoidenpillen, ein Döschen mit Kopfschmerzpulver, eine Flasche Dulcolax-Abführmittel, zwei verschieden geformte Flaschen mit einer Kalaminlösung, jede mit einem Etikett des Drogisten versehen, eine durchsichtige Flasche mit einer braunen Flüssigkeit und einem handgeschriebenen Etikett, auf dem »Gordona Specific« stand, und hinter diesen ganzen Fläschchen eine kleine Papierschachtel »d-Con«.
    Mr. Lamb warf Newel einen unfreundlichen Blick zu, wandte dann seinen Kopf zu ihm um, so daß ihm gleichzeitig heiß und kalt im Gesicht wurde.
    Der alte Mann stützte sich auf einen seiner dürren Ellbogen und starrte in verschiedene Richtungen gleichzeitig. »Wollen Sie mich umbringen, Hewes?« fragte er.
    Er warf einen schnellen Blick auf das »d-Con« und versuchte zu ermessen, ob der alte Mann seinen Namen irgendwie mit dem Kakerlakengift in Zusammenhang gebracht hatte.
    »Nein«, sagte er und schaute Newel sonderbar an.
    »Sind Sie sicher?« fragte der alte Mann und beugte sich über das winzige Flaschenmeer vor, bis sich seine Halswirbel abzeichneten.
    »Ja, Sir«, sagte er nervös.
    »Wieso kommen Sie dann mit einer Pistole zum Abendessen?« krächzte der alte Mann.
    Er schaute nach unten und sah den schwarzen Gummiknauf vom Revolver des alten Mannes, der, immer noch ins Taschentuch eingewickelt, oben aus seiner Hose ragte wie eine Schlange, die erst halb in ihrem Loch verschwunden war. Der alte Mann schaute finster zu ihm hin, und seine Augen blitzten, als wollte er sein Gesicht und den Waffenknauf gleichzeitig im Auge behalten, damit er nichts verpaßte, was mit dem einen oder anderen geschah.
    Er griff nach dem Taschentuch, packte statt dessen die Waffe und zerrte sie aus seiner Hose, wobei das Taschentuch daran hängen blieb. Er stand auf und wedelte mit der Waffe vor ihm herum.
    »Paß auf, Newel«, kreischte der alte Mann und taumelte in seinem Stuhl zurück, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt und die Hände zur Decke gestreckt. »Der will uns umpusten.« Newels Gesicht war in einem seltsamen Lächeln erstarrt, und er schien vollkommen gelähmt.
    »O Gott, o Gott«, gurgelte der alte Mann und spitzte seinen Mund, als würde er gleich einen furchtbaren Schlag abbekommen. Mr. Lamb riß plötzlich den Kopf herum und schaute verzweifelt auf Mrs. Lamb, die immer noch ganz hingegeben ihrem Radio lauschte und schweigend dem Rest des Hauses den Rücken zuwandte.
    Er stieß sich vom Tisch weg, warf seinen Stuhl um, senkte die Mündung zum Fußboden, stürzte hinaus und lief, die Waffe vor sich in der Hand wie eine Wünschelrute, die Treppe hinunter und durch den Hof.
    Er lief in die Gin Den, drehte das Deckenlicht an und schob die Waffe unter die Matratze. Sein Atem ging schnell, und sein Herz drückte ihm den Ausgang der Luftröhre zu. Es schien ganz unerklärlich, dachte er, wie das Leben einen zu etwas brachte, woran man auch nicht im Traum gedacht hatte und was man nie gewollt, noch überhaupt für möglich gehalten hatte. Ihm wurde schwindelig, und er fühlte, daß er

Weitere Kostenlose Bücher