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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er hatte es für Freitag geplant und dann abhauen wollen, aber offenbar konnte man so etwas nicht planen. Auf einmal begriff er das alles. Man konnte sich ruhig einen Plan machen, aber man mußte auch bereit sein, früher oder später den Wegen des Schicksals zu folgen, und durfte nicht überrascht sein, wenn die Dinge einen überraschten.
    Er knipste das Licht aus und stand in der Tür und schaute zum Haus hinüber, das dunkler geworden war als der Himmel dahinter, die Fensterscheiben waren orange getönt und glänzten schwach. Landrieus Silhouette tauchte im Fenster auf, wie ein Grashüpfer oder ein Kessel, der an einer Stange hing, und einen Augenblick später verschwand er mit seiner Kochmütze im Hinterzimmer, den Arm voller Schüsseln. Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft und fröstelte im Abendtau. Er dachte daran, wie er auf der Veranda in Cane Hill gesessen hatte, als der Himmel violett und samtig gewesen war, bevor die Sonne vollkommen versank, und wie er die Katze seines Vaters beobachtet hatte, die sich auf der Eingangsstufe lümmelte, mit schläfrigen zitronengelben Augen, und deren Schwanz auf und ab schlug. Sein Vater war herausgekommen und hatte hinter ihm gestanden und auf die Katze gestarrt, als ob er ihre Gedanken lesen könnte, und ganz plötzlich hatte er sich runtergebeugt und die Katze an ihrem Hinterfell gepackt und sie herumgedreht, so daß nun alles genau andersherum war und der fette Schwanz der Katze von dem andern Ende der Stufe ins Eisenkraut herabschlug. Und sein Vater hatte sich wieder aufgerichtet und die Katze seltsam angeschaut, als könnte er ihre Gedanken nun nicht mehr lesen. Und das Herz der Katze setzte kein einziges Mal aus, ihre Augen waren genauso schläfrig wie vorher, und ihre Pfoten haschten nach unsichtbaren Tieren in ihrem Traum.
    »Ist das nicht komisch«, sagte sein Vater und zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und polierte sich kräftig die Nase und schnaubte. »Ich hab unsre alte Mine einmal ganz rumgedreht, und sie hat nicht mal geblinzelt.«
    »Ich glaube, Mine ist das egal«, sagte er.
    Und sein Vater hatte ihn angeguckt, als wäre er irgendwie ein Teil der Katze, über die sie beide nachdachten, und hatte sein Taschentuch in die Hosentasche gestopft und war wieder nach drinnen gegangen.
    Er schaute zu, wie sich das Haus in der Nacht immer deutlicher abzeichnete, und ihm gefiel die Erinnerung an seinen alten Herrn, weil sein Vater immer vorausplante und alles mögliche manipulierte und meinte, daß alles genauso laufen sollte, wie er sich das gedacht hatte, auch wenn das ganz falsch war. Das Verandalicht brannte immer noch nicht, und die Nacht war nun süß und wie Samt. Er griff in seine Hemdtasche und nahm die Karte heraus, die er am Nachmittag gekauft hatte, und versuchte, sie im schwachen Mondlicht zu erkennen, und konnte es nicht und ging zurück in die Gin Den, um zu schlafen.

Teil VI
Sam Newel

1
    Mr. Lamb saß da und durchforschte das Flaschenmeer, als wäre er völlig überraschend darauf gestoßen und nun verwirrt, weil er nicht wußte, wie er auf die andere Seite kommen sollte. Er hielt das »Hadacol« hoch, damit er im Licht das Etikett lesen konnte, und grunzte, als er verdaut hatte, was die Flasche ihm mitteilen wollte, setzte sie ab und unterwarf die übrigen einer Neueinschätzung. Plötzlich schob er seinen Arm vor, schnappte sich die »d-Con«-Schachtel und hielt sie sich direkt vor die Nase. Er brütete über dem Etikett, drehte die Schachtel herum und blinzelte auf den winzigen roten Aufdruck, bis er langsam die Stirn runzelte und sich sein ganzes Gesicht zu einer finsteren Grimasse absoluter Ablehnung zusammenzog.
    »Was ist denn das hier, Scheiße noch mal?« fragte der alte Mann. Bei diesen Worten lehnte sich Mrs. Lamb in ihrem Stuhl zurück, wandte ihren Kopf, um Mr. Lamb anzuschauen, und widmete sich dann wieder ihrem Radio. Die Kopfhörerkabel stießen aus ihrem Ohr direkt in die hintere schwarze Verkleidung des Kastens. »Jemand versucht, ein Attentat auf mich auszuüben!« brüllte Mr. Lamb. Er schob die Schachtel »d-Con« von seinem Gesicht weg, als wäre sie ein verzerrender Spiegel. »Was zum Teufel steht denn da?« fragte der alte Mann hastig und schob ihm die Schachtel hin. Die Seite, auf die es ankam, hatte er ihm bereits hingedreht. Mr. Lambs rosa Mund öffnete sich, als ob er vorhätte, sich diese wichtige Information oral einzuführen.
    Er musterte die

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