Ein Stueck vom Himmel
mag!«
BERGE, DIE MAN NICHT VERGISST
Der Marmorberg
Fels ist Fels ...
Kletterer wissen es besser: Himmelhoch ist der Unterschied beim Klettern im Urgestein und im Kalk. Aber auch der Kalkfels vom Gesäuse ist anders als der vom Wetterstein, und der Dolomitenfels ist eine Sonderklasse für sich.
Dass Sandstein tatsächlich aus Sand besteht, haben wir unter den Wänden und Türmen der Sächsischen Schweiz gesehen – da gibt es kein Geröll, sondern nur Sand wie am Meeresstrand. Und nach dem Klettern mussten wir immer den Sand aus den Seilen beuteln, den wir beim Klettern von den Felsen abgerieben haben. Ganz exquisit ist das Klettern an den Buntsandsteinfelsen Südwestdeutschlands: Griffe und Tritte sind dort in den Sandstein eingeschlossene runde Kieselsteine. Ob die auch fest sind?
»Die meisten schon!«, wurde mir gesagt. »Und wenn einer ausbricht, kannst du ihn dir als Andenken mit nach Hause nehmen!«
Der Fels lockt also in den verschiedensten Variationen, und es ist reizvoll, einmal in dieser und dann wieder in einer anderen zu klettern. Wie einer, der im Lotto einen Haupttreffer gemacht hatte, fühlte ich mich, als ich in Walther Flaigs Berninaführer las, dass es in dieser Gruppe einen Marmorberg gibt. In Marmor bin ich noch nie geklettert!
Der Berg heißt Piz Tremoggia, ist 3441 Meter hoch und hat einen Südwestgrat (Schwierigkeit II–III), dessen unterer Teil aus schwarzem Schiefer und der obere Teil aus gelbweißem Marmor besteht. »Die Begehung ist deshalb reizvoll«, schrieb Flaig »weil man nicht jeden Tag im blanken Marmorgestein klettert.« Auch Schwanda, Hansl, Scarpietti waren noch nie im Marmor geklettert. Im nächsten Bergurlaub wollten wir den Marmorberg ersteigen. »Ich bin vom Kopf bis Fuß auf Marmor eingestellt!«, trällerte Schwanda.
Der Marmorberg wurde für uns eine große Enttäuschung!
Erstens: Wir waren auf ein Klettern bei strahlendem Sonnenschein im blanken Marmor eingestellt – und es ist ein Klettern in einem Schneesturm geworden.
Zweitens: Dass ein Schiefergrat brüchig sein wird, das hatten wir vorausgesehen. Das aber auch ein Marmorgrat brüchig ist, das war uns unbegreiflich.
Schwanda hatte sich den Marmorgrat so glattgeschliffen vorgestellt wie daheim die Marmorplatte der Küchenkredenz und den ersten ausgebrochenen Griff so entsetzt angeschaut, als wäre er das Bruchstück einer Atombombe.
Scarpietti hatte in seinen Vorstellungen die Pietà von Michelangelo im Auge gehabt.
Und wenn ich an den Marmorgrat dachte, hatte ich immer schöne Marmorprunkstiegen von Barockpalästen vor mir gesehen. Wir hatten falsche Vorstellungen von dem Marmorgrat gehabt. »Jetzt könnt mich auch a Berg mit einer goldenen Spitze nimmer locken!«, knurrte Schwanda. Wir sind dann schnurstracks von der Bernina in die Dolomiten gefahren.
Der brüllende Geisterkogel
Die Ostkante vom Geisterkogel ist eine der schönsten Klettereien im Gosaukamm (Dachsteingruppe). Wir waren unterwegs zu ihr – da hielt uns ein Jäger auf. Als er das Wort Geisterkogel hörte, fing er fast zu weinen an.
Am frühen Morgen hatte er seine Jagdherren in das Kar unterhalb des Geisterkogels geführt. Alles war vorbereitet. Es brauchten nur noch die Gämsen zu kommen und seine Jagdherren konnten zu ihrem Vergnügen diese Gämsen abschießen. Die Gämsen kamen. Die Jagdherren waren vom Jagdfieber gepackt. Da kamen zwei Kletterer (die auf dem Gipfel biwakiert hatten) vom Geisterkogel herab und sprangen begeistert in das darunterliegende Geröllfeld.
Selbstverständlich machten darauf die Gämsen sofort eine Kehrtwendung und liefen nicht den Gewehrläufen der Jäger entgegen. Worauf die Jäger nicht Waidmannsheil sagen konnten. » So viele Berge gibt es da! Und jeder will an diesem Wochenende auf den Geisterkogel!«, jammerte der Jäger.
Wir erzählten dem Jäger, dass wir uns schon eine lange Woche lang auf den Geisterkogel gefreut hätten. Das machte ihn erst recht unglücklich! Denn dieser Jäger war einer von den heute schon seltenen Jägern, welche die Bergsteiger gernhaben – und sie nicht einfach abschießen wollen, so wie viele ihrer schießwütigen Jagdherren. »Buam, was mach ich mit euch?«, fragte er. (Worauf Schwanda um mindestens fünf Zentimeter größer wurde. Er genoss es, als Bua angesprochen zu werden!)
»Geht’s zum Teufel!«, sagte schließlich der Jäger. Worunter er den Geisterkogel verstand. Wir mussten nur versprechen, leise, ganz leise zu sein. Am nächsten Morgen wollte er seine
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