Ein Stueck vom Himmel
Skiläufer und bin auch keiner geworden. Skilaufen hat mich nicht gefreut. »Ein echter Bergsteiger ist auch ein Skiläufer!«, wurde mir seither vieltausendmal gesagt. Warum muss er das sein?
Der Salbitschijen-Südgrat begeisterte uns: der glatte »Elefantenbauch« und der dünne »Bleistiftturm« und die Schlüsselstelle mit der Drahtschlinge. Aus ihr muss man sich mit Gegendruck die griff- und trittlose senkrechte Kante hinaufhangeln. Der berühmte Dolomitenführer Tita Piaz (1879–1948) hat diese verwegene Klettertechnik erfunden (aber zu Tode gestürzt ist er beim Radlfahren).
Und dann standen wir auf der Gipfelplattform vom Salbitschijen neben dem Gipfelsteinmann mit dem Gipfelbuch und unter der berühmten Gipfelnadel. Nach der Meinung aller echten Bergsteiger durften nur Leute, die auch das winzige Spitzl der Gipfelnadel erklommen hatten, sagen, dass sie den 2981 Meter hohen Salbitschijen erstiegen haben.
Diese Gipfelnadel ist ein abstruses Gebilde – sie ist nicht nur dünn, sondern auch schief, schiefer als der berühmte schiefe Turm zu Pisa. Auf ihrem Spitzl findet nur eine Person Platz, rudert da oben mit den Armen ums Gleichgewicht (versucht auch erhabene Gipfelgefühle durch die Brust ziehen zu lassen) und seilt sich von dem im Spitzl steckenden Ringhaken wieder ab. Als wir das Seil wieder abziehen wollten, sagte Schwanda ganz spontan, dass auch er auf die Gipfelnadel hinauf wolle (die er am vergangenen Tag noch ein »Stuhlzapferl« genannt hatte, das er – weil er ja kein echter Bergsteiger war – nicht ersteigen musste). Und elegant und voll Schwung erkletterte er dann auch das Spitzl.
Wir gratulierten Schwanda, dass er in seinen alten Tagen nun doch noch zu einem echten Bergsteiger geworden sei. »Blödsinn!«, schimpfte er. »Das Zapferl hat mir nur so gut gefallen, dass i aufi hab müssen!«
Vom »saudummen Riss« an der Bischofsmütze
Einmal fand eine Klettertourenwoche unseres Vereins im Gosaukamm statt, und am letzten Tag wollte man noch eine kurze Tour als besinnlichen Ausklang machen.
Man entschied sich für die Nordostkante der Großen Bischofsmütze (IV. Grad, Kletterzeit 2½ Stunden, Erstbegehung im Jahre 1920 durch Karl Prusik und Julius Tschippan).
Natürlich stand man spät auf (»Genießen wir doch den letzten Urlaubstag!«), bummelte gemütlich zum Einstieg hinauf – und biwakierte dann beim Abstieg!
Einer der Führer nachher: »Wir haben die Leut nur mit Müh und Not über den saudummen Riss hinaufgebracht!«
In dem saudummen Riss wurde das allerletzte Achterl Kraft verloren, ins Seil geflogen, geschoben, gezogen ... und sogar eine fast schon perfekte Verlobung ging darin wieder auseinander ... »Himmelfix, Madel! Jetzt stell einmal deinen saudummen Haxen auf den Tritt!«, rief einer der Führer. Später die in diesen Führer Verliebte und mit ihm schon fast Verlobte, nun gekränkt, enttäuscht und resignierend: »Und dabei hat er noch beim Hinaufgehen zu mir gesagt, dass ich wunderschöne Beine hab!«
Ich erzählte Schwanda grinsend von der Herzenstragödie an der Bischofsmützen-Nordostkante. Schwanda: »Dieser Riss – der ist aber wirklich saudumm!«
»In Rissen und Kaminen, da bin ich ein Meister, da quetsch ich mich rein und klebe wie Kleister!«, hatte einmal unser Pauli Wertheimer über den Rissspezialisten Schwanda gedichtet. Dass auch mein alpiner Lehrmeister diesen Riss saudumm fand, machte mich auf ihn neugierig.
Ich hörte auch von anderen nur das Schlechteste über diesen Riss an der Großen Bischofsmütze. »Wenn’s an der Kante net den Riss gäbe, tät ich sie bestimmt öfter machen!«
Willi End (Verfasser des Dachsteinführers): »Es ist schon gut, dass es solche Kletterstellen gibt, denn sonst würden die Jungen glauben, dass die Alten nur harmlose Krabbler waren!«
Karl Prusik, der Erstbegeher des saudummen Risses, war allerdings bestimmt kein harmloser Krabbler. Er war nicht nur der Erfinder des weltberühmt gewordenen Prusikknotens, er hat auch etliche gute Erstbegehungen im Fels gemacht (z. B. den Prusikweg in der Triglav-Nordwand). Von jungen Bergsteigern verlangte er, dass sie unbedingt ständig trainieren und geschlechtlich enthaltsam leben sollten, um für den Bergsport topfit zu sein (er selber blieb bis an sein Lebensende Junggeselle).
Mit Anderl Edlinger (er hatte im Krieg das rechte Bein verloren, kletterte dann aber mit Prothese schon wieder so, als ob nix gewesen wäre) stand ich endlich unter dem Riss. »Eigentlich hab ich mir den
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