Ein stuermischer Retter
vergangenen Nacht ihren Fuß behandelt hatte -mit behutsamen Händen und gleichzeitig schimpfend über ihre Dummheit -, und
hätte am liebsten geweint. Vor Zorn, natürlich. Sie würde ihm nicht die Genugtuung bereiten und weinen. Arroganter Grobian. Und das Ganze war natürlich völlig unmöglich.
Denn auch wenn er unter freiem Himmel schlief, war er doch ganz offensichtlich kein armer Mann. Seine Kleidung und Stiefel waren von feinster Qualität, und er reiste mit einem Diener. Er war gebildet, drückte sich geschliffen aus und hatte etwas Befehlsgewohntes an sich - von Arroganz ganz zu schweigen! -, das ihr seine vornehme Abstammung verriet.
Welcher vornehme Gentleman würde schon einer mittellosen Frau unbekannter Herkunft einen Heiratsantrag machen, die ihrem eigenen Bekenntnis nach ein gefallenes Mädchen war? Das war schlichtweg unvorstellbar, unmöglich, geradezu lächerlich. Faith hatte nicht vor, länger hierzubleiben, damit er sich weiter über sie lustig machen konnte.
Auch wenn sie wusste, dass er es nicht ernst gemeint hatte, so schmerzte es sie dennoch. Und warum die achtlosen Worte eines Fremden, den sie noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden kannte, sie so verletzen konnten, darüber wollte sie lieber gar nicht erst nachdenken.
Eine Träne lief ihr über die Wange, und Faith wischte sie zornig fort. Dieser schreckliche Mensch! Wahrscheinlich fand er das sogar noch lustig! Sie wollte nie wieder auch nur ein Wort mit ihm reden!
Das Dumme war nur, dass ihre Stiefel und ihr Umhang sich immer noch am Lagerplatz befanden. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig als zurückzugehen. Sie reckte trotzig das Kinn und marschierte um die kleine Landzunge herum, fest entschlossen, ihre Habseligkeiten zu holen und mit angemessenem Schweigen zu verschwinden.
Das Lager wirkte verlassen, auch wenn sich alles noch an Ort und Stelle befand. Das Feuer brannte nach wie vor, irgendetwas qualmte sogar schrecklich, und der Gestank war entsetzlich. Faith spähte durch den Rauch und gab einen empörten Laut von sich.
„Meine Stiefel!" Sie war wie vom Donner gerührt. Ihre Stiefel - oder besser gesagt, das, was noch von ihnen übrig war, standen mitten in den Flammen, zwei schwarze unförmige Lederklumpen.
Aufgebracht sah sie sich um, aber es war niemand da, den sie zur Rechenschaft ziehen konnte. Was unterstand er sich, einfach ihre Schuhe zu verbrennen! Jetzt saß sie in der Falle, denn sie hatte schon einmal versucht, barfuß zu wandern. Doch sobald sie den Sandstrand verließ und auf steinige Pfade oder in dornige Vegetation geriet, war an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken. Außerdem würde sie ohne Schuhwerk noch mehr wie eine Bettlerin aussehen. Wehe, wenn sie diesen Nicholas Blacklock zu fassen bekam! Sie ballte wütend die Fäuste. Sie würde ihnzwingen, ihr neue Stiefel zu kaufen!
Sie entdeckte Stevens unten am Wasser, beim Angeln, und rannte zu ihm hin.
„Er ist mit Mac in die Stadt gegangen, Miss", verkündete Stevens, sobald sie in Hörweite war.
„Er hat meine Stiefel verbrannt!", rief sie ihm aufgebracht entgegen.
Stevens nickte. „Ja, Miss, ich habe es gesehen."
„Aber sie waren noch vollkommen in Ordnung!"
„Ja, Miss, das habe ich ihm genau so gesagt."
„Er hatte nicht das Recht, sie zu verbrennen, das warenmeineStiefel!"
„Ja, Miss. Ich glaube, deswegen hat er sie auch verbrannt."
Faith ballte wieder die Fäuste. Es gab nichts Schlimmeres, als wenn man wütend war und jemanden anbrüllen wollte, doch die einzige zur Verfügung stehende Person nicht nur völlig unschuldig war, sondern einem noch in allem freundlich beipflichtete.
„Können Sie angeln, Miss?"
„Nein, ich ...", begann sie gereizt.
„Dann lernen Sie es. Es ist ganz einfach. Hier." Er drückte ihr eine Angelschnur in die Hand. Faith öffnete den Mund, um ihm unmissverständlich klarzumachen, dass sie nicht die geringste Lust hatte zu lernen, wie man Fische fängt, da fügte er hinzu: „Jetzt, wo wir einen Esser mehr haben ... "
Sie machte den Mund wieder zu und fing an zu angeln. Nach geraumer Zeit merkte sie, dass Stevens sie aus den Augenwinkeln beobachtete. „Ja?", fuhr sie ihn unwirsch an.
Er zuckte die Achseln. „Ach, nichts, Miss. Ich wollte nur gerade feststellen, was für eine ungemein beruhigende Beschäftigung das Angeln ist." Er warf ihr einen ironischen Blick zu. „Aber dann habe ich es mir wieder anders überlegt."
Jetzt musste sie doch lachen. „Entschuldigung, ich wollte nicht unhöflich
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