Ein stuermischer Retter
schlafen, doch hundert waren eindeutig zu viel. Nach dem ersten Dutzend verlor die Sache sicherlich an Reiz. Er wollte auch nicht alle Weine Frankreichs probieren - nur die besten davon. Er hatte mehrere Tragödien von Shakespeare im Theater gesehen, aber die frühen Komödien gefielen ihm besser.
Aus seiner Gruppe war er der Einzige, der nicht den glühenden Ehrgeiz verspürt hatte, sich vor seinem Tod noch einen besonderen Wunsch zu erfüllen. Doch er hatte einen. Einen Wunsch, bei dem er sich aber schämte, ihn vor den anderen zu äußern
- er wollte leben. Nicht sterben.
Er befürchtete, deswegen als Feigling zu gelten. Ein Soldat sollte doch ganz sicher keine Angst vor dem Tod haben, und so stürzte Nicholas sich in die Schlacht, um seine Feigheit vor den anderen zu verbergen. Immer an vorderster Front, immer mitten im Kampfgetümmel. Er kämpfte nicht für König und Vaterland, sondern um sein Leben.
Sein Wunsch hatte sich erfüllt. Seine Freunde waren um ihn herum gestorben wie die Fliegen, dahingerafft in der Blüte ihrer Jugend; sie hatten ihre ehrgeizigen Ziele
nicht mehr erreichen können. Nur Nicholas hatte überlebt.
Er schwamm, bis ihm die Arme wehtaten und seine Augen im Salzwasser brannten. Eine Weile ließ er sich auf den Wellen treiben, ziellos, gleichsam menschliches Treibgut. Er musste an ein anderes menschliches Treibgut denken, an Miss Faith Merrit. Bestimmt lag sie jetzt in einem Badezuber, warm und entspannt, mit weichen, anschmiegsamen Formen und sauber duftender Haut ...
Seine zukünftige Braut. Aber niemals seine richtige Ehefrau.
Er drehte um und schwamm ermattet zum Strand zurück. Als er aus dem Wasser stieg, erschauerte er in der kühlen Nachtluft. Er pfiff nach Wulf, und der große Hund sprang auf und schmiegte sich nass an ihn.
„Sie werden sich noch eines Tages den Tod holen, Sir", brummte Stevens.
„Schön wär's."
Stevens schwieg eine Weile, dann warf er Nicholas ein Handtuch zu. „Gehen Sie trotzdem zum Feuer, Sie wollen sich doch bestimmt nicht erkälten."
Der Morgen ihrer Hochzeit brach hell und freundlich an. Faith stand auf, wusch sich rasch und zog ihre neuen Kleidungsstücke an. Am vergangenen Abend hatte Marthe sie mit einem Sitzbad, mehreren großen Kannen heißen Wassers und einem nach Rosen duftenden Stück Seife überrascht. Dazu hatte sie ihr eine Heilsalbe für ihr Gesicht gegeben. Als Faith sich jetzt anzog, genoss sie das Gefühl frischer neuer Wäsche und Kleidung auf ihrer gereinigten Haut. Es war geradezu ein symbolischer Akt, wie sie fand. Sie begann ein neues Leben, von ihrem alten wollte sie nur das behalten, was sie behalten wollte.
Sie suchte ihre alten Sachen zusammen und wickelte sie in das zerrissene grüne Seidenkleid. Sie würde alles Marthe geben, damit sie es verbrannte oder als Putzlappen benutzte.
Marthe klopfte an die Schlafzimmertür. „Sind Sie schon wach, Mademoiselle?" Faith öffnete ihr die Tür. „Ja. Guten Morgen, Marthe."
Marthe musterte sie mit ihren kleinen schwarzen Augen kritisch von Kopf bis Fuß.
Sie schnaubte leise. „Dieses Kleid! Sie sehen überhaupt nicht aus wie eine Braut." Faith zuckte die Achseln. Sie fühlte sich auch nicht wie Braut.
„Nur weil das eine etwas überstürzte Hochzeit ist, heißt das noch lange nicht, dass Sie sich nicht für ihn hübsch zu machen brauchen", bemerkte Marthe streng. „Haben Sie die Seife benutzt, die ich Ihnen gegeben habe?" Sie beugte sich vor und schnupperte. „Ja, das haben Sie. Gut."
Sie betrat das Zimmer, und Faith sah, dass sie das Bündel grüner Seide entdeckte, ohne jedoch etwas dazu zu sagen.
„Sie sollten dankbar sein, dass ein solcher Mann Sie heiraten will!"
„Das bin ich auch."
„Dann zeigen Sie ihm Ihre Dankbarkeit! Es ist Ihre Pflicht, ihn glücklich zu machen und ihm mit allen Mitteln, die einer Frau zur Verfügung stehen, gefällig zu sein!" Faith errötete und wusste nicht genau, wo sie hinsehen sollte. Meinte Marthe das
so, wie sie glaubte? Marthe hatte die Sechzig gewiss schon seit geraumer Zeit überschritten; sie wirkte wie eine verdorrte, verdrießliche Frau. Sie war die Haushälterin eines alten katholischen Geistlichen - um Himmels willen!
„Eine Braut sollte am Tag Ihrer Hochzeit wunderschön aussehen. Sie selbst sind hübsch genug, aber dieses Kleid! Die Farbe geht ja noch, doch der Schnitt ... furchtbar!"
„Ich hatte sonst nur noch das da." Faith zeigte auf das grüne Bündel. „Mein ganzes Gepäck wurde mir gestohlen. „Mr
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