Ein stuermischer Retter
zurückhaltend war.
„Kann ich Sie etwas fragen? Allein, damit niemand es hört?"
„Ja, sicher." Faith konnte sich nicht vorstellen, worüber Estrellita mit ihr reden wollte. Sie sah sich nach einem Ort um, wo sie ungestört sein würden. „Oben gibt es eine Loggia mit Blick auf das Meer. Bestimmt können wir dort reden und sind gleichzeitig geschützt vor dem Regen. Wollen wir dort hingehen?"
„Si."
In der Loggia war es ein wenig kühl und klamm, aber nicht ungemütlich. Sie fanden eine schmale Bank und setzten sich nebeneinander. „Also, was wollten Sie mich fragen?"
„Diese Sache da ... Mögen Sie es oder nicht?"
Faith runzelte die Stirn. „Was meinen Sie damit?"
„Was Sie mit Capitaine Nick tun." Sie machte eine ziemlich unanständige Bewegung mit den Fingern und dem Daumen.
Faith brauchte einen Moment, bis sie begriff, doch dann schoss ihr das Blut in die Wangen. „Estrellita!" Sie starrte das Mädchen halb schockiert, halb belustigt an, erkannte aber schnell, dass ihre Reaktion das Mädchen erschreckt hatte. Sie unterdrückte ihre Verlegenheit. „Es tut mir leid", versicherte sie. „Sie haben mich nur so überrascht, das ist alles. Ich habe noch nie gesehen, dass jemand das so
umschrieben hat. Eigentlich habe ich auch noch nie jemanden ausdrücklich darüber reden hören, abgesehen von meiner ältesten verheirateten Schwester, und die hat das nur einmal und ganz kurz getan." Vor Jahren hatten sie und Hope Charity nach ihrer Hochzeit gedrängt, ihnen zu erzählen, wie es war. Auch sie hatte das Ganze nur „es" genannt, trotzdem war Charity flammendrot geworden und hatte nicht viel dazu gesagt. Nur, dass der Ehemann es einem schon erklären würde und dass es nichts wäre, worüber man beunruhigt sein müsste. Als die beiden sie weiter mit Fragen bestürmt hatten, war sie noch stärker errötet und hatte geflüstert, es wäre sehr angenehm.
„Ich habe keine Schwester, die ich fragen kann", erwiderte Estrellita schlicht.
Faith schluckte und wusste, dass sie auch ziemlich rot im Gesicht sein musste. Sie fragte sich, wie ausführlich sie sein sollte. Ein Mädchen, das sich mit den Fingern so bildhaft ausdrücken konnte, brauchte doch sicher keine genaueren Erklärungen. „Was ... was wollen Sie nun wissen?"
„Wenn Sie das mit Capitaine Nick tun, gefällt es Ihnen oder nicht?"
„Es gefällt mir."
Estrellita schürzte die Lippen und schien nicht zufrieden mit dieser knappen Auskunft. „Gefällt es Ihnen sehr oder ist es einfach nur erträglich?"
„Ich mag es sehr." Faith nahm ihre Hand. „Es ist himmlisch, Estrellita. Das schönste Gefühl auf der Welt."
„Noch schöner als ein voller Magen?"
Faith zuckte leicht zusammen. Sie begriff, dass Hunger für das Mädchen nichts Ungewohntes war. „Ja. Manchmal habe ich das Gefühl, als hätte ich mein Leben lang Hunger gehabt, und jetzt, mit ihm, bräuchte ich nie wieder zu hungern."
Das Zigeunermädchen nickte nachdenklich. „Und ist es schöner als Küssen?"
„Ja, denn man küsst sich sogar währenddessen."
Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Überraschung. Es stand auf und ging gedankenverloren ein paar Schritte in der engen Loggia hin und her. Dann drehte es sich zu Faith um. „Ich habe es erst einmal getan, und es war schrecklich."
„Das erste Mal kann tatsächlich etwas unangenehm sein."
Das Mädchen starrte aufs Meer hinaus. „Es war ein Soldat. Er hat mich geschändet", sagte es, ohne Faith dabei anzusehen.
Faith sprang auf und legte die Arme um die hochgezogenen Schultern der jungen Frau. „O, Estrellita, das tut mir so leid!"
„Nach der Schlacht von V..." Estrellita stockte. „Nach der großen Schlacht", berichtigte sie sich. „Er war allein unterwegs - ich dachte, dass er vielleicht ein Feigling ist, ein Deserteur. Ich habe mich versteckt. Alle Mädchen in Spanien wissen, was Soldaten tun, wenn sie ein Mädchen vorfinden, das allein ist." Sie zuckte mit den Achseln. „Aber ich war jung und dumm. Ich hatte mich nicht gut genug versteckt. Nicht geahnt, wie schlimm es werden würde." Sie schwieg und dachte anscheinend über die unabänderliche Vergangenheit nach. Sie erschauerte noch nachträglich vor Entsetzen.
Faith umarmte sie noch fester, wobei sie gleichzeitig anfing, Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Krieg in Spanien war seit Jahren zu Ende - und Estrellita war genauso alt wie sie selbst. „Wie alt waren Sie damals?", flüsterte sie beklommen.
„Vierzehn."
„Großer Gott!"
Nach einer Weile
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