Ein Sturer Hund
psychisch instabile Agenten jeweils in Anstalten des anderen Landes behandeln zu lassen. Deutsche Agenten in … nun, das brauchen Sie nicht zu wissen, und britische eben in Zweiffelsknot.«
»Hört sich an, als würden Deutschland und England sich gegenseitig ihren Sondermüll abnehmen«, meinte Rosenblüt.
»Sie haben die Dinge schon immer aus einer sehr kleinen Warte heraus betrachtet«, sagte Neukomm. »Aus der Warte Ihres Kopfes.«
Rosenblüt parierte die Attacke mit einem gezackten Lächeln, welches bewies, wie gut sein Blick für die kranken Dinge war, die in der kranken Welt der Geheimdienste abliefen. Für Rosenblüt besaßen solche Einrichtungen den Geruch des Verwelkten und Abgestorbenen. Bloß, daß sich diese sinnlos gewordenen Abwehrdienste krampfhaft am Leben hielten, Konflikte schürten, wo es nur ging, und fortgesetzt Geld verschlangen, um ihre Herrenclubvergnügungen aufrechtzuerhalten.
Gebler streute erneut ein gequältes »Bitte!« ein und forderte die beiden Männer auf, ihre persönlichen Differenzen auszuklammern. Dann fuhr er fort: »Es ist jetzt drei Jahre her, daß eine Agentin des MI6 mit Decknamen Moira Balcon nach Heidelberg geschickt wurde, um einen Mann zu liquidieren, der lange Zeit im Dienst der Briten stand. Ich weiß nicht, was dieser Mann verbrochen hat, das so fatal war, daß man seine Ermordung beschloß. Aber beschlossen hat man sie nun mal. Also kam Moira Balcon angereist. Die Spezialität dieser Dame, wenn ich das so sagen darf, bestand gemäß ihrer Ausbildung und ihrer Aufträge im Nachstellen von Ritualmorden. Das bedeutet, daß man sie gerne einsetzte, um einer geheimdienstlichen Ermordung einen unpolitischen, individualistischen Anstrich zu verleihen. Das ist etwas, das intern als Serial-Killer-Comedy bezeichnet wird. Moira Balcon ist, wenn man so will, eine professionelle Kopfabschneiderin. Sie hat diese Methode regelrecht erlernt. Wie auch die theatralische Aufbereitung der Leichen. Ihre Taten waren also zunächst nicht das, was sie schienen. Das sollte sich ändern. Als sie im letzten Jahr nach China entsendet wurde, um dort einen Manager auf die bekannte Weise aus dem Verkehr zu ziehen, hat sie gleich dessen gesamte Familie eliminiert. Was ja in keinem Fall Teil des Konzepts gewesen war. Offensichtlich haben sich die zuständigen Personen im Secret Service damals darauf geeinigt, das Tun ihrer Agentin als eine Form von … nun, von Übererfüllung zu verstehen. Doch nachdem Mrs. Balcon auch im Zuge eines weiteren Auftrags übererfüllend vorgegangen war, wurde sie aus ihrer Einheit genommen und nach Zweiffelsknot geschickt.«
»Und dort hat sie zeichnen gelernt«, bemerkte Rosenblüt spitz.
Es war Peter Neukomm, der jetzt darauf verwies, daß Moira Balcon schon zuvor eine exzellente Künstlerin gewesen sei. Das Prinzip, ihre zukünftigen Opfer auf kleinen Unterlagen abzubilden, sei ein Teil ihrer Ausbildung gewesen. Es sollte ursprünglich dazu dienen, die hohe nervliche Belastung, die in der Art ihrer Aufträge begründet lag, bereits im Vorfeld zu mindern. Künstlerische Prophylaxe. Welche leider nicht wirklich gegriffen habe.
»In der Tat«, sagte Staatsanwalt Gebler. »Die Ermordung Thomas Marlocks erfolgte ohne jeden Auftrag. Moira Balcon ist nach Stuttgart gefahren und hat einen x-beliebigen Menschen massakriert. In dem ihr vertrauten Stil. Danach ist sie nach Zweiffelsknot zurückgekehrt und hat sich in ihr Zimmer gelegt, als wäre nichts geschehen.«
»Soll das bedeuten«, erregte sich Rosenblüt, »der gute Herr Dr. Callenbach wußte, was geschehen war, und hat diese Frau dennoch weiterhin frei herumrennen lassen?«
»Keineswegs«, sagte Gebler. »Moira Balcon wurde sofort in den geschlossenen Teil der Anstalt gebracht und verwahrt. Natürlich war es unmöglich, die Sache publik zu machen. Was hätte man den Leuten erzählen sollen. Nein, wirklich nicht.« Und an Neukomm gewandt: »Wenngleich es hilfreich gewesen wäre, die Staatsanwaltschaft bereits zu diesem Zeitpunkt zu unterrichten. Aber lassen wir das.«
»Und?« fragte Rosenblüt. »Wer hat dann meine Männer auf dem Gewissen?«
»Moira Balcon konnte fliehen«, erklärte Gebler, während er sich weiterhin um einen festen Gesichtsausdruck bemühte.
»Höre ich recht?« brüllte Rosenblüt. »Und der BND hat geschlafen? Und dieser Callenbach hat geschlafen? Wie?«
»Hören Sie auf, den Gerechten zu mimen«, wehrte Neukomm ab. »Der BND hatte noch keinen Zugriff auf diese Frau. Wir mußten
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