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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Augenwinkel heraus auf den am Boden liegenden Mann, welcher sich die verletzte Schulter hielt. Dessen Hand war rot vom Blut. Dr. Thiel zog jetzt seine Polizeimarke hervor, ließ sie von der ausgestreckten Hand baumeln und schwenkte sie durch die Luft. Dabei erklärte er, durchaus auf seinen Titel bestehend, wer er sei und daß er für das Landeskriminalamt arbeite.
    Der Mann, der am Boden lag, schnaubte verächtlich und fuhr Thiel an: »Sie Unglücksrabe, was tun Sie hier? Sind Sie verrückt geworden?«
    »Ich tue meine Pflicht«, erklärte Thiel. »Wozu gehört, die Bürger dieser Stadt zu schützen.« Und mit gar nicht leisem Bedauern hinzufügend: »Jeden Bürger.«
    »Witzfigur«, sagte die Frau, obwohl ihr noch immer das erwärmte Metall gegen die Stirn gepreßt wurde. »Sie verhindern kein Verbrechen, sondern einen bilateral sanktionierten Sondereinsatz. Was haben Sie eigentlich studiert?«
    Dr. Thiel ließ sich nicht mürbe machen und forderte Cheng auf, die herrenlose Waffe an sich zu nehmen. Worauf der Detektiv endlich seine Versteinerung aufgab und sich aus dem Stuhl erhob. Die Pistole lag schwer und kalt in Chengs Hand. Seine alte Unbeholfenheit im Umgang mit solchen Geräten machte sich bemerkbar. Er hatte den Lauf gegen das eigene Bein gerichtet, wie um nur ja niemand ins Visier zu nehmen.
    »Würden Sie die Waffe bitte so halten«, rief Dr. Thiel verärgert, »daß man sie auch sehen kann.«
    In diesem Moment drehte sich die Frau mit einer ansatzlosen Bewegung um die eigene Achse und bewegte damit ihre Stirn von der Mündung der Pistole weg. Gleichzeitig fuhr sie ihren Arm taschenmesserartig aus und drückte ihre Handkante in Thiels linke Niere. Dank der Pirouette war die Frau in dem Moment, als Thiel den Abzug durchdrückte, bereits im Rücken des Polizisten angekommen, weshalb die Kugel einen ziellosen Raum vorfand und sich in das Mauerwerk bohrte, als handle es sich um die Rückwand einer leergeräumten Schießbude.
    Der Schlag in die Niere war ein perfekter gewesen. Aber wie in der meisten Perfektion, steckte auch in dieser ein Haken. Denn im Grunde hätte es ja genügt, daß die Frau mittels ihrer raschen Drehung aus Thiels Schußbahn gelangt war. Der zusätzliche Schlag jedoch brachte es mit sich, daß Thiel einklappte und in sich zusammensank. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre also Thiel weiter aufrecht gestanden, so hätte er mit seinem Körper die Frau gegen Cheng hin abgedeckt. So aber drang das Projektil, welches Cheng in diesem Augenblick aus seiner gerade erst angehobenen Waffe abfeuerte, auf Brusthöhe in die Frau ein. Es ging so schnell, daß sie weder dazukam, selber einen Schuß abzugeben, noch ihren Fehler zu begreifen. Sie starb mit einer Kugel im Herzen und einem Irrtum im Kopf.
    Ihr Kollege jedoch, der das Glück hatte, das empfangene Projektil bloß in seiner Schulter zu tragen, rollte über den Boden, sprang auf die Beine und war, bevor sich Cheng überhaupt nach ihm umdrehen konnte, durch die vordere Ladentür ins Freie gelangt.
    Cheng tat nichts, um dem Mann zu folgen. Er war viel zu perplex, einen Schuß nicht nur abgegeben, sondern die Kugel auch im Ziel untergebracht zu haben. Wobei der Umstand, daß er getroffen hatte, ihn sogar beglückte. So lange, bis er den Tod der Frau begriff. Denn als er jetzt nähertrat, auf sie hinuntersah und die Stelle erkannte, an der das Blut nach außen drang, war ihm klar, daß sein intuitives Bemühen, ebenfalls nicht viel mehr als eine Schulter zu treffen, mißglückt war. Der Griff auf die Halsschlagader der Frau war dann bloß noch eine Geste, die dazugehörte. Als ein Ausdruck guten Benehmens in schlimmen Momenten.
    »Ich rufe Ihre Kollegen«, sprach Cheng mit leiser, abwesender Stimme und griff nach dem Telefon.
    Dr. Thiel löste sich mit einem kleinen Ächzen aus seiner Verkrümmung und streckte seine Hand aus, um den Einarmigen am Arm zu fassen. »Warten Sie, Cheng! Lassen Sie das!«
    »Die Frau ist tot«, sagte Cheng.
    »Wäre sie es nicht, dann wären wir beide es.«
    »Gut, das ist richtig. Aber doch kein Grund, stillzuhalten.«
    »Rosenblüt hat keine Ahnung, daß ich hier bin. Mein Eingreifen ist im Grunde ein privates.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Ich werde Ihnen das noch erklären. Aber zuerst sollten wir von hier verschwinden, bevor eine Nachhut auftaucht.«
    Cheng mußte Thiel recht geben. Er holte Lauscher und klemmte ihn sich unter den Arm. Über den Werkstattraum eilte man nach draußen und gelangte im

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