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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Schutze des unbeleuchteten Hofs hinaus auf die Straße. Auf der frischen Schneedecke waren die dunklen Flecken zu erkennen, die vom Blut des an der Schulter getroffenen Mannes stammten. Von ihm selbst war nichts zu sehen.
    Dr. Thiels Wagen stand mit laufendem Motor in zweiter Spur, ein weißer Porsche 924, der keine fünfhundert Euro wert sein mochte, dafür dreiundzwanzig Jahre zählte, eine Menge glücklicher Momente barg und über die Eleganz eines geduckten, wachsamen Geschöpfs verfügte. Zudem stellte dieser Wagen ein Ineinandergreifen von Form und Mythos dar, wie man dies selten zu Gesicht bekam. Es mag wie ein Witz klingen, aber ausgerechnet der als »Hausfrauenporsche« verspottete und in größter Auflage hergestellte 924er verkörperte wie kaum ein Artefakt die gleichzeitig barocke wie sachliche Schönheit einer Kraftmaschine, welche jeden auf eine würdevolle Weise durch Städte und Landschaften transportierte. Während hingegen jeder andere Porsche davor und danach genau das repräsentierte, was man in anderen Zusammenhängen als »häßlichen Deutschen« bezeichnet.
    So gesehen empfand Cheng es als einen gewissen Trost, daß er nach dem gerade Erlebten in ein solches Fahrzeug steigen durfte, in dem man wie in einem Schnellboot saß und mit den hochgezogenen Augenklappen der Scheinwerfer über die erneut unwegsamen Straßen schlitterte.
    »Wohin?« fragte Dr. Thiel, nachdem er zweimal um die Ecke gebogen war.
    »Ist das Ihr Ernst? Sie fragen mich, wohin?«
    »Als ich zuvor über die hintere Tür hereinkam, konnte ich hören, wie von diesem Moritz Mortensen die Rede war. Der Mann ist ja wohl in Gefahr, oder? Es ist also nötig, ihn zu warnen. Nehmen Sie das Handy, rufen Sie ihn an, und geben Sie ihm Bescheid, daß er seine Wohnung verlassen und sich auf die gegenüberliegende Straßenseite stellen soll. Und zwar mit Bedacht. Wir holen ihn von dort ab.«
    »Er ist nicht in seiner Wohnung. Wir müssen hinauf zum Roseggerweg. Gleich unter dem Bismarckturm. Dort ist eine Villa, die Mortensen für ein paar Tage bewohnt.«
    Cheng griff nach dem Handy, um sicherzugehen. Tatsächlich meldete sich Mortensen.
    »Hören Sie zu«, sagte Cheng. »Ich komme zu Ihnen hinauf. Der Fall entwickelt sich mit einiger Vehemenz. Eine Frage: Wer weiß von Ihrem Aufenthalt in der Wiesensteigschen Villa?«
    »Frau von Wiesensteig, natürlich.«
    »Schon klar. Sonst jemand?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Gut. Wir sind in zehn Minuten bei Ihnen.«
    »Wer ist wir ?«
    »Ich komme mit einem Freund«, kündigte Cheng an.
    Als er aufgelegt hatte, meinte Dr. Thiel: »Sie brauchen nicht zu übertreiben, bloß weil wir uns notwendigerweise das Leben gerettet haben, sind wir noch lange keine Freunde.«
    »Da haben Sie recht.«
    Es dauerte länger als geplant. Dr. Thiel verfuhr sich, und auch Cheng war nicht wirklich in der Lage, im stärker werdenden Schneefall die Orientierung zu behalten. Der Porsche glitt, halb gesteuert, halb führerlos, durch die Stuttgarter Nacht, um nach zwanzig Minuten eher zufällig die Rückseite des Bismarckturms zu passieren. Von dort war es glücklicherweise ein leichtes, den Roseggerweg zu finden.
    Mortensen wirkte ein wenig betrunken und unglücklich, als er seine späten Besucher hereinbat. Er verschwand kurz in der Küche. Als er zurückkam, stellte er Gläser und eine Flasche Rotwein auf den Tisch und ließ mehrere Lappen auf den Boden fallen. Auf einem davon plazierte sich der geduldige Lauscher. Unterdessen war die Katze April auf eine Anrichte gesprungen, von der aus sie Cheng und Dr. Thiel, nicht aber den Hund beobachtete. Was keine Taktik darstellte. Sie hatte den Hund einfach nicht registriert. Sowenig wie der Hund sie. Kleine Tiere werden gerne übersehen. Auch von anderen kleinen Tieren.
    Cheng stellte die beiden Männer einander vor, in etwa wie man Schachfiguren gegenseitig bekanntmacht, welche die gleiche Farbe besitzen, aber bisher zu weit entfernt standen, um sich zu bemerken. Das hatte sich geändert. Die Nähe war nun beträchtlich, wenngleich die Freude darüber gering blieb.
    Zuallererst bestand Dr. Thiel darauf, daß Mortensen noch einmal genau darüber nachdachte, inwieweit tatsächlich niemand außer der Hausinhaberin von seinem Aufenthalt in der Villa wußte.
    Mortensen schüttelte den Kopf. Natürlich könne er nicht ausschließen, daß Frau von Wiesensteig jemandem Bescheid gegeben habe, aber was ihn selbst betreffe, so habe er kein Wort darüber verloren. Er sei sehr auf

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