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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Anweisungen abwarten.«
    »Mußten Sie also? Wer verteilt in Ihrem Verein eigentlich die Direktiven? Und was heißt denn, Moira Balcon konnte fliehen? Ich sage Ihnen etwas: Dieser komische einarmige Detektiv, der uns überhaupt erst nach Zweiffelsknot geführt hat, ist zur selben Zeit, als ich mir die Leichen meiner Leute ansehen mußte, über unsere Mrs. Balcon gestolpert. Und zwar in der schönen, hellen Zweiffelsknoter Wallfahrtskirche. Ich frage mich also, Herr Neukomm, wo sind Ihre Leute gewesen? Oder waren die noch immer angewiesen, wegzuschauen?«
    Mit einer aufgesetzten Arroganz erklärte Neukomm, daß er Rosenblüt keine Rechenschaft schuldig sei. Auf jeden Fall wäre bereits eine Gruppe englischer Spezialisten eingetroffen, um sich des Falls anzunehmen. Diese Leute wüßten selbst am besten, wie mit einer Irrläuferin aus den eigenen Reihen zu verfahren sei. Dies entspreche auch den zwischenstaatlichen Vereinbarungen.
    »Wir wollen doch nichts beschönigen«, unterbrach Gebler die Rede des BND-Mannes, »es wurde zögerlich reagiert. Eben darum, weil die Kompetenzen im speziellen Fall nicht klar verteilt waren und sich die Frage gestellt hat, wer schlußendlich das Problem aus der Welt schaffen solle. Und vor allem, wie.«
    »Wenn ich richtig verstanden habe«, sagte Rosenblüt, »dann laufen jetzt ein paar sogenannte Spezialisten des englischen Geheimdienstes durch die Gegend. Zur Serial-Killer-Comedy gesellt sich also eine komödiantische Hetzjagd. Was für Engländer schickt man uns diesmal? Weitere Verrückte? Noch mehr Leute, die aus dem Zitatenschatz fingierter Ritualmorde nicht mehr herausfinden?«
    »Lassen Sie das, Rosenblüt!« mahnte der Staatsanwalt. »Diese Einheit des MI6 wird raschestmöglich Frau Balcon stellen. Und es braucht uns nicht zu interessieren, in welcher Verfassung man die Dame nach England zurückbringt. Hauptsache, es geht schnell und reibungslos. Mit dieser Affäre, denke ich, ist das psychiatrische Austauschverfahren gestorben.«
    »Dies zu denken, laut zu denken, lieber Herr Staatsanwalt«, sagte Neukomm, »steht außerhalb Ihrer Kompetenz.«
    »Ach, wissen Sie …« Doch Gebler verbat es sich, Neukomm zum Teufel zu schicken. Statt dessen wandte er sich an Rosenblüt: »Nehmen Sie sich noch heute diesen Österreicher, diesen …«
    »Cheng. Markus Cheng.«
    »Also, machen Sie diesem Cheng klar, daß die Sache gelaufen ist. Daß wir auf seine weitere Einmischung gerne verzichten können. Das kann nicht schwer sein. Der Mann ist doch vernünftig, oder?«
    »Ich weiß nicht so recht. Der Mann ist ein Krüppel. Krüppel tendieren zur Halsstarrigkeit.«
    »Sagen Sie ihm, daß er mit einem starren Hals in unserer Stadt nicht weiterkommen wird. Bei aller Herzlichkeit. Bei aller Rücksicht. Wenn nötig, nehmen Sie ihn fest.«
    »Na ja«, meinte Rosenblüt. »Er wird schon nachgeben. Er ist nicht wirklich ein ideologischer Mensch.« Und, als wäre ihm gerade etwas eingefallen, griff er sich ans Kinn, wobei er gleichzeitig einen kleinen Finger ausfuhr und damit auf Neukomm wies: »Ihre Revolverhelden sollen Markus Cheng in Frieden lassen. Ist das klar? Ich will nicht, daß der BND diesem Mann auf die Füße tritt.«
    »Einem Österreicher, der Cheng heißt? So jemanden überlasse ich Ihnen gerne.«
    Rosenblüt dankte herzlich für die Güte Neukomms und fragte dann Gebler, ob noch eine Frage offen sei.
    »Einige Fragen«, antwortete der Staatsanwalt, »aber das hat Zeit. Sehen Sie jetzt einmal zu, daß Sie diesen Cheng erwischen. Wir können Querschüsse nicht gebrauchen.«
    »Cheng schießt nicht«, sagte Rosenblüt und verließ mit Dr. Thiel den Raum. So kann man sich irren.

Lauschers Glück
    Cheng, der also doch geschossen hatte, sowie Mortensen und Dr. Thiel saßen um jenes Ende des langen Tisches, das zum Kamin wies. Vor jedem stand ein Glas Wein. Die Katze April, die auf den S-Stuhl hinübergewechselt war, und Lauscher, der unter einer Anrichte lag, hatten einander immer noch nicht wahrgenommen. Das Feuer im Kamin prasselte klangstark und bedeutsam und ein wenig synthetisch. Die Zeiger einer Wanduhr verwiesen auf den Umstand, daß die Mitte der Nacht erreicht war. Draußen lag die Stadt unter einer frischen Schicht von Schnee. Und wenn zuvor der Eindruck von etwas halb Ausgebrütetem entstanden war, so konnte man nun sagen, daß der ganze Ort wieder wie in einer geschlossenen Eierschale steckte und unter dieser Hülle zusehends schrumpfte. Stuttgart embryonalisierte.
    Nach

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