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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einer kleinen Pause, die der Schilderung Dr. Thiels gefolgt war, ergriff als erster Mortensen das Wort, sprach aber mehr zu sich selbst: »An diesem Abend in Tilanders Bar hätte es also genausogut mich treffen können. Marlock war einer von vielen. Ein Kopf unter anderen.«
    »So sicher kann man das nicht sagen«, warf Dr. Thiel ein. »Es ist möglich, daß Moira Balcon auf der Suche nach einem bestimmten Typus war. In jedem Fall hatte Marlock Pech.«
    »Sie haben Ihre Geschichte nicht fertig erzählt«, sagte Cheng und erklärte Mortensen, von Dr. Thiel gerettet worden zu sein, eine Tat, für die er, Cheng, sich postwendend habe revanchieren dürfen. (Wobei Cheng unerwähnt ließ, daß der Schuß, den er abgegeben hatte, weder ein sonderlich gezielter noch ein sonderlich überlegter gewesen war. Im Grunde hätte er genausogut Dr. Thiel treffen können. Und wäre selbiger nicht des Nierenschlags wegen zusammengesackt, so würde Cheng ihn auch tatsächlich erwischt haben. Denn geschossen hätte er gewiß. Aus Panik. Aus einem Impuls heraus.)
    Dr. Thiel warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Überlegte. Dann schüttelte er den Kopf, als hätte er begriffen, daß es zu spät war. Wofür auch immer. Er nahm einen Schluck Wein und setzte seinen Bericht fort:
    »Wir sind also raus aus diesem Sportvereinsgebäude. Rosenblüt war sauer. Hat sich darüber aufgeregt, daß die Nachrichtendienstler noch immer das Sagen hätten. Gebler sei ein schlapper Kerl, habe weiche Knie bekommen. Und wenn ein Staatsanwalt weiche Knie bekomme, würden die Chancen auf Null schrumpfen. Es nütze also gar nichts, Tränen zu vergießen ob einer solch ausgemachten Sauerei. Der Weisung eines Staatsanwaltes müsse gefolgt werden.
    Zurück im Büro, hat Rosenblüt dann sofort nach dem Telefon gegriffen, um mit Ihnen, Cheng, ein Treffen zu vereinbaren. Mich hat er heimgeschickt. Hat gemeint: ›Thiel, danke, aber heute habe ich genug von Akademikern, gehen Sie nach Hause und küssen Sie Ihre Frau.‹ Mir war schon klar, wie er das meinte. Beleidigt war ich trotzdem. Oder sagen wir lieber, unzufrieden. Sicher auch darum, weil es mir während des Gesprächs mit Gebler und Neukomm kein einziges Mal gelungen war, meinen Mund aufzukriegen. Als sei ich gar nicht vorhanden gewesen. Gleichwohl hat mich das Gehörte betroffen gemacht. Ich bin also nach Hause gegangen, habe meine Frau geküßt und mich vor den Fernseher gesetzt. Der Kuß und das Fernsehen haben aber nicht ausgereicht, um die Gedanken zu vertreiben. Nicht, daß ich ein Spezialist für Geheimdienste wäre. Aber Rosenblüt hat natürlich recht. Das sind elitäre Vereine, voll von Leuten, denen ihr Handeln immer und überall als ein rechtlich einwandfreies erscheint. Per se und a priori und ohne Gnade. Sie tun, was sie für sinnvoll halten. Und das Sinnvolle liegt für sie zumeist im Radikalen, im Unmäßigen, im Endgültigen und in der Zuspitzung. Ich meine die Paranoia, die bei diesen Leuten vorherrscht. Dieser Wahn nach Hygiene, nach Auslöschung. Weshalb ich mir nicht vorstellen konnte, daß die Engländer sich damit zufriedengeben würden, bloß Moira Balcon aus dem Verkehr zu ziehen. Ich will andererseits nicht sagen, daß ich eine bestimmte Idee hatte, was alles passieren könnte. Da war eben eine Unruhe in mir, die mich aus dem Haus getrieben hat. Zu meiner Frau habe ich gesagt, ich hätte etwas vergessen. Mehr nicht. Das ist eine Phrase, die sie gewohnt ist und akzeptiert. Ich bin also in meinen Wagen, um ein wenig in der Gegend herumzufahren. Und habe nachgedacht, was ich unternehmen könnte.«
    Dr. Thiel erklärte, daß es eine logische Konsequenz gewesen sei, Markus Cheng aufzusuchen. Im Grunde, um den einarmigen Detektiv zu warnen. Sympathie habe dabei mit Sicherheit keine Rolle gespielt. Aber nach alldem, was er von Gebler und Neukomm gehört hatte – und er empfand dies als einen Skandal –, hielt er es für recht und billig, Cheng Bescheid zu geben. Auf ein Telefonat wollte er freilich verzichten. In Zeiten umfassenden Abhörens (umfassender »Telefonseelsorge«, wie das intern hieß) waren Telefonate die Fallen, die man sich selbst grub. Es wurde viel zuviel telefoniert. Auf allen Seiten, an allen Fronten.
    In der Annahme, Cheng und Rosenblüt hätten ihr Treffen bereits hinter sich gebracht, entschied sich Dr. Thiel dafür, das Detektivbüro des Österreichers aufzusuchen. Und je näher er dem Ort kam, um so nervöser wurde er. Als ahnte er bereits, daß sich alles sehr

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