Ein Sturer Hund
seine Ruhe bedacht, wenn er hier oben sei, um zu arbeiten.
»Das heißt«, folgerte Dr. Thiel, »daß wir zunächst einmal sicher sind.«
»Wie wäre es«, bat Cheng, »uns darüber aufzuklären, vor wem wir hier oben eigentlich sicher sind? Welche Leute welche Fäden ziehen?«
»Sehr gerne. Ich bin froh, das loszuwerden. Und es ist gut, wenn wir uns die Wahrheit aufteilen. Das verleiht einem jeden von uns ein klein wenig Sicherheit. Ein klein wenig. Also: Fünf Minuten nachdem wir Dr. Callenbach aus seinem Büro quasi ausgesperrt hatten, hat sich Staatsanwalt Gebler bei Rosenblüt gemeldet und ihn angewiesen, sofort die Finger von dem Arzt zu lassen und nach Stuttgart zurückzukehren. Üblicherweise kommen wir mit Gebler gut aus. Es ist auch nicht seine Art, nervös zu sein. Diesmal war er es aber, hochgradig. Alles mußte sehr schnell gehen.«
Während Cheng hin und wieder eine erklärende Bemerkung an Mortensen gab, berichtete Dr. Thiel darüber, wie man mit dem Hubschrauber nach Stuttgart geflogen sei, um sich mit Gebler zu treffen. Jedoch nicht, wie eigentlich üblich, in dessen Büro. Statt dessen setzte der Helikopter auf einem Sportplatz in Mönchfeld auf.
»Mönchfeld!?« staunte Cheng.
»Ja«, sagte Dr. Thiel, »es klingt ein wenig, wie wenn Außerirdische statt auf der Erde auf dem Mond invadieren. Schlimmer noch: Mönchfeld ist wie ein Mond, der nur aus einer erdabgewandten Seite besteht.«
»Sie sehen sich als Außerirdischen?« wunderte sich Cheng erneut.
»Bisweilen«, meinte Dr. Thiel und wirkte für einen Moment melancholisch. Sodann, schon weniger schwermütig: »Erst recht angesichts eines Ortes wie Mönchfeld.«
Doch genau dort fand nun mal die Zusammenkunft statt. In einem der Vereinsräume traf man Gebler, in dessen Begleitung sich ein gewisser Peter Neukomm befand, ein Mann des Bundesnachrichtendienstes. Rosenblüt und Neukomm kannten sich von früher. Nichts deutete darauf hin, daß sie einander in Verehrung zugetan waren. Noch während Gebler versuchte, in umschreibender Weise an das Problem heranzugehen, unterbrach ihn Neukomm und wandte sich direkt an Rosenblüt, um ihm klarzumachen, daß diese ganze Geschichte, der Heidelberger und der Stuttgarter Kopf und jetzt auch noch die beiden Zweiffelsknoter Köpfe, daß also alle diese Köpfe in die Zuständigkeit des BND fallen würden und er, Rosenblüt, sich ab sofort und striktest herauszuhalten habe. Und auch jeder andere aus Rosenblüts Mannschaft. »Das sind unsere Köpfe, basta!«
»Schön und gut«, meinte darauf Rosenblüt und blieb auf eine provokante Weise gelassen, »aber Sie werden nicht umhin kommen, mir zu erklären, warum ich den Fall abgeben soll. Immerhin sind es meine Leute, die man geköpft und zu einer häßlichen kleinen Skulptur zusammengestellt hat.«
»Gar nichts muß ich Ihnen erklären«, erwiderte Neukomm. »Die Interessen unseres Landes stehen naturgemäß über denen eines Hauptkommissars. Wenn Sie auf Ihre Mitarbeiter nicht aufpassen können, dann ist das allein Ihr Problem.«
»Nicht doch! Bitte!« mischte sich der Staatsanwalt ein, wobei er nun um einiges entschlossener wirkte als zuvor: »Wir werden Hauptkommissar Rosenblüt und Dr. Thiel ins Vertrauen ziehen müssen. Um Ihnen begreiflich zu machen, wie wichtig es ist, diesen Fall außerhalb … außerhalb des Üblichen und des Konventionellen zu behandeln.«
Neukomm blies eine Menge Luft zwischen seinen Lippen hervor und zuckte dann mit den Schultern. »Wenn Sie meinen, Herr Staatsanwalt.«
»Das tue ich«, sagte Gebler, wippte ein wenig auf seinen Fußballen und erklärte nun, daß es seit einigen Jahren üblich sei, Mitglieder des britischen Secret Service in der Zweiffelsknoter Klinik zu stationieren. Nicht als Agenten, natürlich nicht, sondern als Patienten. Es handle sich in der Regel um Leute, die im Zuge langjähriger Einsätze Psychosen entwickelt hätten. Was bei der Art der Tätigkeit dieser Personen kaum verwundern dürfe. Bei fast allen von ihnen, wobei sich gleichzeitig nie mehr als vier englische Gäste in Zweiffelsknot befänden, handle es sich um Agenten, die in vorsätzliche Tötungen involviert gewesen seien.
»Ich will nicht«, erklärte Gebler, »daß wir hier eine Diskussion über Wert oder Unwert dieser britisch-deutschen Vereinbarung führen. Ich habe selbst eben erst davon erfahren. Faktum ist, daß unser BND und der englische MI6 aus diversen Gründen der Sicherheit eine gemeinsame Praxis üben, welche darin besteht,
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