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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dieser solle die Waffe verschwinden lassen. Bei Frau von Wiesensteig angekommen, faßte er sie sachte am Arm. Die kleingewachsene Dame blickte zu ihm auf, erleichtert, denn sie hatte ihn eben erst wahrgenommen.
    »Was …?« fragte die Freifrau.
    »Sie kommen drei Tage zu früh«, sagte Mortensen, freilich ohne daß es nach einem Vorwurf klingen sollte. Vielmehr versuchte er damit zu erklären, warum noch kurz zuvor eine Waffe auf sie gerichtet gewesen war. Als sei die Bedrohung durch eine Pistole die logische Folge vorzeitigen Erscheinens.
    Irritiert, wie sie war, ging das Fräulein sogar darauf ein und rechtfertigte sich damit, daß ihr Frankfurt gar nicht bekommen sei. Es sei immer das gleiche mit dieser Stadt, ob vor fünfzig Jahren oder heute, sie würde sich ein jedesmal nach kürzester Zeit krank im Kopf fühlen. Kein Wunder, daß das Max-Planck-Institut ausgerechnet in Frankfurt eine Hirnforschung eingerichtet habe, ganz Frankfurt sei ein Feld der Hirnforschung.
    »Ich meine nicht«, erklärte Frau von Wiesensteig referierend, als sei sie mit Mortensen alleine, »daß die Frankfurter alle hirnkrank, daß sie blödsinnig sind. Aber die Stadt wirkt doch wie ein Tumor. Oder wie irgendein schweres Stück, das sich auf die Schädel der Menschen setzt und Druck ausübt. Wenn ich nach Frankfurt reingehe, wird mir ganz schummrig im Kopf. Gehe ich wieder raus, ist mir auch gleich wieder wohl. Sie verstehen also, Herr Mortensen, daß ich früher kommen mußte.«
    »Aber selbstverständlich …«
    »Was tun die beiden Männer hier? Und wozu soll die Pistole gut sein?«
    »Wir haben jemand anders erwartet.«
    »Jemand, den man mit Waffen begrüßt. Interessant.« Und tatsächlich wirkte sie jetzt eher neugierig denn verstört.
    Dr. Thiel erhob sich, bat um Verzeihung und stellte sich vor, und zwar als der Polizist, der er war. Cheng folgte. Er nannte nicht mehr als seinen Namen und daß er hoffe, sein Hund störe nicht.
    »Mich stört kein Hund«, äußerte die Freifrau, »mich stört auch nicht die Polizei. Allerdings würde ich doch gerne wissen, was hier vorgeht.«
    »Wir können das jetzt schwer erklären«, sagte Dr. Thiel, »da wir noch einiges zu erledigen haben. Aber seien Sie versichert, daß Ihrem Haus kein Schaden zugefügt wurde.«
    Es war nicht klar, ob er einen ideellen oder materiellen Schaden oder beides meinte. Auf jeden Fall schien er vergessen zu haben, daß sich im ersten Stock ein ungemachtes Bett und ein ebenfalls nicht ganz sauber zurückgelassenes Badezimmer befanden. Mag aber auch sein, daß er den Zeitpunkt für unpassend hielt, um darüber zu sprechen. Statt dessen sagte er: »Wir müssen los. Wirklich!«
    Cheng hatte ein ungutes Gefühl. Nicht der Freifrau wegen. Ganz im Gegenteil. Diese Witwe eines Freiherrn, den sie nun schon seit siebenunddreißig Jahren überlebte, versprühte den Glanz ewigen Lebens. Nein, er fürchtete um sich selbst. Er war überzeugter als noch am Abend zuvor, daß weder der BND noch der MI6 es zulassen würden, daß Leute herumliefen, die von Moira Balcon und den Zweiffelsknoter Umständen wußten. Gelöbnis hin oder her. Dazu kam, daß der Traum der letzten Nacht Cheng beunruhigte. Um so mehr, als er zu zweifeln begann, daß es tatsächlich ein bloßer Traum gewesen war. In jedem Fall zwang ihn sein ungutes Gefühl dazu, für Lauschers Sicherheit zu sorgen, weshalb er nun die Freifrau bat, für die Dauer dieses Tages seinen kleinen Hund zu betreuen.
    »Sollte es passieren«, ergänzte Cheng zögernd, »daß ich heute nicht mehr dazukomme, ihn abzuholen, wäre es sehr freundlich von Ihnen, …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, erklärte die Freifrau. »Ich gebe auf Ihren Hund acht, egal, wie lange Sie fortbleiben.« Es klang, als hätte Frau von Wiesensteig soeben die Adoption des ältlichen Schäfer-Dackel-Mischlings übernommen. Nur verständlich, daß sie nun auch noch seinen Namen wissen wollte.
    »Lauscher«, sagte Cheng mit einem kleinen Bruch in der Stimme. Allerdings unterließ er es, den Hund zum Abschied mit einer Zärtlichkeit zu verwirren.
    »Lauscher? Warum nicht?« meinte die Freifrau und entließ die drei Männer, bestand aber darauf, daß Mortensen ihr demnächst Bericht erstatten würde. Worüber auch immer.
    Mortensen sagte: »Gerne«, wie man sagt: »Wir sehen uns im Himmel.«

Flemmings Nase
    Wer im Ernst eine einzige Zeile
    über Malerei schreibt,
    ist ein … Sie wissen schon …
    (Arthur Cravan)
     
    Es war ein dunkler Morgen, woran sich im

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