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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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nicht häufiger und intensiver zu bewegen als nötig. Denn er meinte, daß sich im Stillstand alles Plumpe auflöse. Ja, daß jemand, der sich im Stillstand befinde, nicht wahrgenommen werde. Und wenn nun etwas beweist, daß dieses langohrige, kurzbeinige, untersetzte Geschöpf namens Lauscher nicht wirklich zu den Haushunden zählte, dann der Umstand, daß sein größtes Bedürfnis darin bestand, nicht wahrgenommen zu werden. Bellen kam für ihn nicht in Frage. Passierte es ihm doch einmal, so war er danach verwirrt und unglücklich. Und wäre nicht verwirrter gewesen, als wenn er miaut oder sich der Sprache der Menschen bedient hätte.
    So reduziert sich Lauscher auch zu bewegen bemühte, war er aber gerade dadurch der Katze aufgefallen. April hatte sozusagen das Verdächtige der Verlangsamung bemerkt. Gar nicht so sehr den Hund als solchen. Sondern bloß das Zeitlupenhafte seines Auftritts, und dieses als Anschleichen mißverstanden. Allerdings als ein schwerfälliges Anschleichen. Die Plumpheit Lauschers war somit auch April nicht verborgen geblieben. Nichtsdestoweniger machte sie um den Hund einen Bogen.
    Während April und Lauscher sich in entfernten Ecken der Küche aufhielten, nahmen Cheng, Mortensen und Dr. Thiel am Tisch Platz, welcher, wuchtig, aus hellem Holz und mit zwei Bonsais ausgestattet, die Mitte des Raums bestimmte. So wie am Abend zuvor jeder ein Glas Wein vor sich stehen gehabt hatte, waren es nun kleine, dickwandige Mokkaschalen. Dünne Rauchsäulen stiegen auf. Mortensen kam es vor, als spiele man hier »Die Drei von der Tankstelle«. Es war wohl diese – trotz der realen Gefahr – lustspielartige Verbundenheit, die ihn auf den Gedanken brachte, daß man genausogut eine Tankstelle hätte betreiben können.
    Eine Zeitlang saß man sich bloß gegenüber und genoß den Kaffee. Sodann kramte Mortensen eine Packung Zigaretten hervor.
    »Muß das sein?« herrschte ihn Dr. Thiel an.
    »Man kann das auch anders sagen«, erwiderte Mortensen und ging ans andere Ende des Tisches, wo er sich eine Zigarette anzündete. Er blies den Rauch in einem steilen Winkel nach oben und zur Seite. Eine Brunnenfigur von einem Raucher.
    »Was werden wir tun?« fragte Cheng. »Ich meine, um unser Leben zu erhalten.«
    »Ich habe mir das überlegt«, sagte Dr. Thiel. »Vielleicht ist es doch das beste, mit Rosenblüt zu sprechen. Man muß es zumindest versuchen. Wenn Rosenblüt will, kann er uns helfen. Er muß den BND davon überzeugen, daß keiner von uns dreien eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt. Und auch nicht für die nationale Sicherheit der Engländer. So wenig wie für Callenbach und seine Klinik. Wobei es natürlich so ist, daß die Geheimdienste ihre eigene Sicherheit gerne mit der des Staates verwechseln. Das darf nicht vergessen werden.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Mortensen. »Sollen wir einen Eid ablegen, den Eid, nichts gesehen und nichts gehört zu haben? Denken Sie, ein solches Gelöbnis könnte die Engländer überzeugen? Denken Sie wirklich, Leute wie dieser wunderbare Herr Neukomm werden sich damit zufriedengeben, wenn ein ziviles Arschgesicht, wie ich eines bin, hoch und heilig verspricht, daß …«
    »Ich weiß nicht, ob es funktionieren kann. Aber ich denke doch, daß wir mit Rosenblüt reden sollten. Er wird uns nicht gleich über den Haufen schießen, nicht wahr?«
    »Übrigens«, sagte Cheng, »wir sollten nicht vergessen, daß ich diese Engländerin, diese Agentin getötet habe.«
    »Das ist nicht das Problem«, meinte Dr. Thiel. »Zumindest glaube ich kaum, daß Blutrache eine Triebfeder der Geheimdienste darstellt. Opfer gehören dazu. Das Ganze würde sonst wahrscheinlich keinen Spaß machen.«
    In diesem Moment vernahm man von draußen eine Folge von Geräuschen, die sich gewindeartig in den Küchenraum fortpflanzten. Jemand mußte das Haus betreten haben. Dr. Thiel riß die Pistole aus der Tasche, während Mortensen immerhin seine Zigarette ausdrückte. Cheng erstarrte, wie um die Lebensphilosophie seines Hundes zu bestätigen. Seine Pistole lag unberührt auf dem benachbarten Stuhl. Dr. Thiels Waffe jedoch war auf die Tür gerichtet, die nun mit mittlerer Geschwindigkeit aufging.
    »Oha!« sagte Frau von Wiesensteig. Sie kniff die Augen zusammen, wie um die Dinge besser betrachten zu können. Aber es war wohl eher ein Ausdruck schnellen, angestrengten Denkens.
    Mortensen löste sich von seinem Platz. Im Gehen fächelte er mit der Hand hinüber zu Dr. Thiel,

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