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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sperrte zu, dann setzte er sich an seinen Tisch, nahm das Telephon und wählte die Nummer Carl Köbners, welcher auf Grund seiner Liebe zur englischen Musik von allen Purcell genannt wurde. Oder eben einfach Henry. Purcell gehörte zu Chengs kleiner Mitarbeitertruppe, die sich – wie zu Wiener Zeiten – aus nicht gerade erfolgreichen Existenzen rekrutierte. Bei Purcell handelte es sich um einen Veteranen der Erwachsenenbildung, der mit seinen siebenunddreißig Jahren keinen wirklichen Beruf, aber eine interessante Mischung von Ausbildungen hinter sich gebracht hatte. Seine Unentschlossenheit war nicht unähnlich jener, die Lauscher überfiel, wenn er vor seinem gefüllten Futternapf zum Stehen kam. Purcell lebte noch immer unter der Fürsorge seiner Mutter und hatte es sich in der eigenen Fettleibigkeit recht komfortabel eingerichtet. Eine Frau wie seine Mutter würde er nicht finden. Das wußte er. Und danach handelte er.
    Purcells große Leidenschaft galt neben der englischen Musik dem Autofahren. Er war ein, im Sinne Otto Bodländers, in der Autobenützung zur Herzensgüte gereifter Mensch, welcher für Kinder und Tiere und überhaupt für alle Fußgänger bremste. Und der dank seines zauberisch anmutenden Talents, Abkürzungen zu nehmen, imstande war, eventuellen Verfolgern auch ohne Raserei zu entkommen. Beziehungsweise besaß er die Fähigkeit, anderen Wagen nachzusetzen, ohne deshalb gleich Hydranten umzufahren et cetera.
    In der Regel freilich wurde Purcell von Cheng darum engagiert, um im Falle größerer Fahrten und umständlicher Reisen nicht auf die Bahn angewiesen zu sein. Und genau darum ging es auch jetzt. Purcell sollte Cheng nach Zweiffelsknot bringen, jener Ortschaft, die, wie ihm das Lexikon verriet, am Südrand der Schwäbischen Alb lag und bekannt war für seine ehemalige Benediktinerabtei, die unter Napoleon eine Säkularisation erfahren und kurze Zeit als Kaserne gedient hatte, um dann zu einer königlichen Irrenanstalt zu mutieren. Ein Titel, der im Laufe der Zeit einige Wandlungen erfahren hatte. Aus dem monarchischen Tollhaus war letztendlich ein psychiatrisches Zentrum geworden.
    Cheng wäre in jedem Fall nach Zweiffelsknot gefahren, allein des Bierdeckels wegen, denn der Ort verfügte über eine gleichnamige Brauerei. Doch das Bestehen einer Psychiatrie empfand er natürlich als einen zusätzlichen Anreiz. Immerhin hatte Bodländer empfohlen, die Porträtistin in irgendeiner Art von geschlossenen Anstalt zu suchen. Und man konnte durchaus behaupten, daß ein zur Psychiatrie umgewandeltes Kloster quasi ein Gebäude zweifacher Geschlossenheit darstellte. Übrigens waren Zweiffelsknot und seine kulturelle wie medizinische Bedeutung den meisten Menschen in diesem Land durchaus geläufig.
    Für den Wiener Cheng handelte es sich jedoch um einen Ort, den er gerade mal vom Hörensagen kannte. Und eigentlich freute er sich auf diesen Besuch, vielleicht einfach darum, weil in der Lexikoneintragung die Rede von einer Zweiffelsknoter Klosterkirche war, die als ein Hauptwerk des deutschen Spätbarock galt. Denn wenn Cheng in Stuttgart etwas vermißte, dann waren es Dinge, die den Begriff »Barock« verdienten und somit geeignet waren, Chengs österreichische Deckenfresken-Besessenheit zu befriedigen.
    Als Purcell mit seinem liebevoll gepflegten, siebenundzwanzig Jahre alten Fiat 124 vorfuhr, standen Cheng und Lauscher bereits auf der Straße. Wobei es nicht so aussah, als würde der Wagen gebremst werden, sondern schlichtweg ausrollen. Auch das Motorengeräusch verstummte gleich einem langsam verhallenden Ton. Den alten Fiat konnte man durchaus als ein heimeliges Auto bezeichnen, als ein Möbel von einem Auto. Ein Möbel, das aber auch etwas Tierhaftes besaß. Jedoch nicht so aufdringlich wie im Fall eines VW Käfers. Dieser Fiat 124 Special T war sozusagen ein geometrisierter Käfer.
    Cheng öffnete die hintere Tür und wies Lauscher mit einer kurzen Geste an, auf die mit einer Decke ausgelegte Bank zu springen.
    »Gutes, braves Hundchen«, sagte Purcell, der gerne einen verniedlichenden Ton anschlug. Immerhin unterließ er es, von einem braven Detektivchen zu sprechen, und reichte statt dessen dem auf dem Beifahrersitz Platz nehmenden Cheng die Hand.
    »Ich konnte dir am Telephon nichts Genaueres sagen«, erklärte Cheng. »Möglicherweise werde ich abgehört.«
    »Teufelchen, noch mal«, staunte Purcell. »Woher kommt denn deine plötzliche Prominenz?«
    »Es geht um den Fall Marlock. Du weißt

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