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Ein Sturer Hund

Titel: Ein Sturer Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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daß er das Polaroid nicht einfach in seinen Mantel steckte, sondern sich das Bild zwischen Unterhose und rechte Poseite schob. Auch wenn dieser Platz kaum die Qualität eines Tresors besaß, so war es immerhin nicht unbedingt der Ort, an dem man nach Polaroids suchen würde.
    Cheng schloß den Skikoffer. Dann machte er sich endlich auf den Weg zurück zum Wagen. Purcell saß bereits wieder hinter dem Lenkrad und war in ein Gesangsstück seines Namensgebers vertieft: »Sweetness of nature«. Er wirkte deprimiert, wohl wegen der Beschädigung des Autodachs.
    »Glücklicherweise ist niemand in diesen Koffer hineingekracht«, sagte Cheng. »Ich hab’ ihn auf die Seite geräumt. Und mach dir wegen deinem Wagen keine Sorgen. Ich werde das regeln.«
    »Der bleibt, wie er ist«, bestimmte Purcell, »ich hasse es, wenn alles und jedes renoviert wird. Auch ein Fiat braucht das eine oder andere Wehwehchen, den einen oder anderen Kratzer. Selbst wenn es schmerzt, sich das ansehen zu müssen. Außerdem könnten wir jetzt tot sein. Tot wie zwei erschlagene Mäuschen.«
    »Könnten wir«, bestätigte Cheng und schnallte sich an.
    »Und wenn wir tot wären«, folgerte Purcell, »würde man trotzdem darangehen, uns zu renovieren. Man würde versuchen, mich für mein Begräbnis hübscher und putziger herzurichten, als ich je war. Und meine Mutter würde sagen: Das ist er nicht. So sieht mein Bubi nicht aus.«
    Cheng schwieg. Lauscher schnarchte sein Hundeschnarchen. Purcell startete den Wagen und fuhr erneut in das wilde Treiben der Flocken.
    Erst eine halbe Stunde später gerieten sie aus dem Sturm heraus, wobei es Cheng so vorkam, als durchbreche der Wagen eine glatte, gerade, dünne Wand, hinter welcher sich der Winter wieder völlig durchschnittlich gab. Einen Moment waren Cheng und Purcell wie geblendet von der Gegenständlichkeit des Anblicks, von erkennbaren Wäldern, einem erkennbaren Himmel, einer erkennbaren Straße und all den anderen sichtbaren Verkehrsteilnehmern. Man rückte wieder näher aneinander, was bedeutete, daß die Abstände zwischen den Autos zügig abnahmen. Die ganze Welt schien sich zu fangen, pendelte sich ein.
    Als Purcell seinen lädierten Fiat auf dem Parkplatz von Zweiffelsknot parkte, war der Ort bereits von der Dunkelheit eines späten Nachmittags eingeäschert. Dennoch sah man deutlich die beiden hellen Türme des Münsters, die völlig unbeleuchtet waren und sich nur mittels der eigenen Weiße der Bemalung und der Weiße der schneebedeckten Turmspitzen von dem schwarzen Hintergrund abhoben.
    Sehr wohl beleuchtet war hingegen das Brauereigebäude, ein übersichtlicher, an seine Funktion gebundener Bau. Wobei es sich freilich genausogut um ein Sägewerk oder eine Spinnerei hätte handeln können, wären da nicht die großen Plakate gewesen, auf denen vergnügte, fraternisierende Menschen Biergläser in ihren Händen hielten. Auf all diesen Werbetafeln prangte ein Spruch, der auch auf dem Bierdeckel aufgedruckt war, den Cheng bei sich trug: Nur in der Natur liegt der Geist des Bekömmlichen . Echtes ehren – Freud bescheren – Wahres brauen – in Gott vertrauen .
    »Es hat keinen Sinn, heute noch viel zu unternehmen«, sagte Cheng, als er aus dem Wagen stieg, »wir müssen das Ganze ohnehin langsam angehen. Und erst einmal sehen, welche Leute uns Rosenblüt hinterhergeschickt hat.«
    »Seine besten doch hoffentlich. Der Fall ist schließlich allerkitzligst.«
    »Nimm dich zusammen, Henry.«
    »Was ist denn los? Was tue ich denn?«
    Purcells Atem stieg als eine Folge milchiger Schwaden auf, die sich rasch verloren. Es war hier draußen noch um einiges kälter als in Stuttgart.
    »Ich denke«, sagte Cheng und öffnete Lauscher die Hintertüre, »es ist deine Sprache, die mich hin und wieder quält. Allerkitzligst . Was für ein dämliches Wort.«
    Purcell gab sich beleidigt, zog den Kopf ein, atmete in seinen Schal und tat einige Schritte auf dem gepreßten, harten Schneeboden. Die Geräusche erinnerten Cheng erneut an eine Eisdecke. Nur, daß man sich diesmal glücklicherweise nicht unter, sondern auf ihr befand.
    Mit einem Mal wendete sich Purcell zu Cheng um, beinahe elegant, tatsächlich wie ein gewichtiger Schlittschuhläufer, und sagte: »Es ist ein Tic. Ein Ticileinchen. Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Ist schon gut«, wehrte Cheng ab und nahm Lauscher an die Leine. Lauscher hatte nichts gegen die Leine einzuwenden. Sie war ein Stück Kultur und ein Stück Sicherheit, und keineswegs

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