Ein süßes Abenteuer
Haymarket erreichen würden.
Hinter ihm schrie Giles, eines der Mädchen fehle. “Ich sage euch was: Wenn wir sie nicht schleunigst finden, macht Madame uns die Hölle heiß!”
Von dem kräftigen Fausthieb, den Neville erhalten hatte, schmerzte seine Wange. Langsam schwoll sein Auge zu, und außerdem fühlte er sich ziemlich benommen. Kein Wunder, dass die beiden Männer ihn schon bald einholten und überwältigten.
“Wo habt ihr das Mädel hingebracht?”, zischte der Türwächter, während er Neville eine Ohrfeige gab. Nicht mit voller Kraft, schließlich sollte sein Opfer seine Frage noch beantworten können.
“Weit weg”, presste Neville hervor. “Sie werden sie niemals finden.”
Giles nahm sofort die Verfolgung auf, doch Lem und “Phoebe” hatten einen großen Vorsprung. Bis er am Haymarket ankam, hatten sie sich schon längst unter die Menge gemischt, die hier die Nacht zum Tag machte. Sie zu finden schien aussichtslos, zumal Giles in seiner Hast mit einer Gruppe junger Stutzer zusammenstieß. Empört, dass er sich an ihnen vorbeidrängen wollte, versperrten sie ihm den Weg und grölten ein unzüchtiges Lied.
Als sie dieses Spiels endlich überdrüssig wurden, kehrte Giles wieder in seine Gasse zurück. In der Zwischenzeit hatte der andere Schläger Neville so gründlich bearbeitet, dass dieser kaum noch bei Bewusstsein war.
“Keine Spur von ihnen”, stöhnte Giles. “Was nun? Was machen wir mit diesem Burschen da?”
“Töten wir ihn”, schlug sein Kumpan vor.
“Lieber nicht, sosehr es mich in den Fingern juckt. Madame Josette möchte keinen Skandal. Vielleicht geht der andere ja zu den Behörden, und was dann? Nein, bringen wir ihn fort von hier und gießen wir ihm eine ordentliche Menge Whisky in die Kehle. Wenn ihn dann die Nachtwächter aufgreifen, werden sie ihn den Konstablern übergeben. Soll er ruhig versuchen, denen weiszumachen, dass er ein Mädchen aus einem Bordell retten wollte. Die werden ihm was erzählen!”
Gesagt, getan. Nachdem Giles dem völlig benommenen Neville den Whisky eingeflößt hatte, schleppten sie ihn in eine nahe gelegene Gasse, wo sie ihn in einem Hauseingang liegen ließen. Er stöhnte vor Schmerz, bis er schließlich, betrunken und nach Alkohol riechend, einschlief.
Auf dem Heimweg überlegten die beiden Gauner, wie sie ihrer Herrin Phoebes Verschwinden beibringen sollten. Vor allen Dingen mussten sie betonen, dass es keine weiteren Scherereien und keinen Skandal geben würde.
Auch wenn ihr Bericht die Bordellwirtin nicht gänzlich besänftigte, sagte sie sich, dass sie für Phoebe immerhin eine hübsche Summe erhalten hatte. Zweifellos würde sie bald Ersatz für das Mädchen finden.
Weder Madame noch Neville wussten, dass ein Zeuge ihre Verhandlung im Salon mit angehört hatte. Ein Zeuge, der Sir Neville Fortescue trotz seiner Verkleidung wiedererkannt hatte und der nun feststellte, dass dieser seine Warnung missachtet hatte. Unter diesen Umständen hielt er es für angebracht, seinen Auftraggebern den wahren Namen von Belindas Retter zu enthüllen. Dann konnte man weitere Maßnahmen gegen ihn ergreifen.
Kaum dass Belinda das Haus in Chelsea betrat, begann sie Lem mit Fragen zu bestürmen.
“Wo sind wir? Woher wusstet ihr, dass ich bei Madame Josette gefangen gehalten wurde? Oh Lem, ich habe mich mein Lebtag noch nie so sehr gefürchtet!”
“Haben sie dir Gewalt angetan?” Schon allein die Vorstellung fand er unerträglich.
“Nein. Sie wollten meine Jungfräulichkeit für den ersten reichen Gentleman aufbewahren, der einen hohen Preis für mich bietet. Giles …” Plötzlich versagte ihr die Stimme, und sie brach in Tränen aus. “Giles hat sich sehr darüber geärgert, dass er mich und noch zwei andere jungfräuliche Mädchen nicht berühren durfte. Oft ließ er seine Wut an uns aus … Aber wohin hast du mich eigentlich gebracht, Lem?”
“Nach Chelsea, in Sir Nevilles Haus. Ich frage mich, wo er bleibt. Hoffentlich haben die Gauner ihn nicht in ihrer Gewalt.”
“Sag so etwas nicht, Lem!”, rief Belinda entsetzt. “Dann würden sie ihm schreckliche Dinge antun! Giles genießt es, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen.”
Doch die Zeit verging, und Sir Neville kehrte nicht zurück. Schließlich überredete Lem seine geliebte Belinda dazu, sich schlafen zu legen. Falls sein Herr bis zum nächsten Morgen nicht nach Hause kam, würde er sie nach Medbourne House bringen und die Duchess um Rat fragen. Nach den Erlebnissen dieses
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