Ein süßes Abenteuer
er seinen Freunden diese köstliche Szene nicht schildern durfte.
Dank Nevilles überzeugender Komödie hatte sich Madames Argwohn gelegt. Offensichtlich hatte sie es mit naiven Provinzlern zu tun, denen sie leicht das Geld aus der Tasche ziehen konnte.
In ihrem Geschäftszimmer begann sie eifrig mit Neville zu feilschen. Auch wenn dieser Ochse nicht gleich mit seinem Wunsch herausrückte, wusste sie genau, dass er nach einer Jungfrau suchte – angeblich als Heilmittel für seine Geschlechtskrankheit. Nun, vielleicht hatte sein Freund ihn tatsächlich davon überzeugt, dass diese Kur wirkte.
Am Ende zahlte Neville murrend und scheinbar widerwillig einen derart hohen Preis, dass es Lem schier die Sprache verschlug.
“Erst kürzlich haben wir genau das bekommen, was Sie brauchen”, erklärte Madame. “Zu rein medizinischen Zwecken, versteht sich.” Unablässig lächelnd – das gehörte zu ihrem Geschäft – rief sie einen Diener herbei, der seinem Aussehen nach ebenfalls zu ihren Schlägern gehörte. Nachdem sie ihn beiseitegenommen und ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte, führte sie ihn zu Neville.
“Giles wird Sie beide nach oben bringen und der Person vorstellen, die Sie zu sehen wünschen. Viel Glück, Sir.”
Dass sie sich so ungezwungen von ihnen verabschiedete, als hätten sie irgendein völlig unschuldiges Vergnügen im Sinn, ärgerte Neville über alle Maßen. Doch er riss sich zusammen.
“Was tun wir, wenn er uns nicht zu Belinda führt, sondern zu irgendeinem anderen Mädchen?”, flüsterte Lem auf der Treppe, ohne dass Giles ihn hören konnte.
“Darüber brauchen wir uns jetzt noch keine Gedanken zu machen”, antwortete Neville ebenso leise. In Wirklichkeit fragte er sich selbst, welcher Teufel ihn geritten hatte, sich auf solch eine verrückte Unternehmung einzulassen. Weiter als bis zu diesem Punkt hatte er überhaupt nicht geplant.
Angenommen, man brachte sie tatsächlich zu Belinda – wie wollten sie sie retten? Ein weiteres Problem, das es zu lösen galt.
Im dritten Stock angekommen, betraten sie ein äußerst geschmackvoll eingerichtetes Schlafzimmer in der Nähe des Treppenabsatzes.
“Warten Sie hier”, sagte Giles und entfernte sich.
Wenig später kehrte er mit einer hübschen jungen Frau zurück, der die Angst deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
Neville hob seine Lorgnette und betrachtete sie eingehend. Dann warf er Lem einen raschen Blick zu, doch dieser bedeutete ihm mit einem Kopfschütteln, dass sie nicht Belinda war.
“Einen Augenblick”, wandte sich Neville an Giles, ehe dieser das Zimmer verließ.
“Ja?”
“Das junge Ding entspricht nicht ganz meinem Geschmack. Können Sie mir nicht eine andere anbieten? Vielleicht dürfte ich mir selbst eine aussuchen?”
“Hat Madame Ihnen das erlaubt?”
“Ja”, log Neville.
“Tja, also gut.” Ohne viel Federlesens zog Giles das zurückgewiesene Mädchen aus dem Zimmer. In diesem Augenblick schwor sich Neville eines: Selbst wenn sie Belinda nicht fanden, würde er eine andere auswählen, irgendeine, um sie aus dieser Hölle zu erlösen.
Als Nächstes brachte Giles ihnen drei Mädchen. “Welche würdest du vorziehen, Cousin?”, erkundigte sich Neville bei seinem Begleiter.
Lem deutete auf diejenige in der Mitte, die im Gegensatz zu ihren etwas keckeren Gefährtinnen den Kopf hängen ließ und zu Boden blickte.
“Eine gute Wahl”, bestätigte Neville anerkennend. “Nicht zu kess. Die anderen beiden können Sie wieder mitnehmen.”
“Klopfen Sie an die Tür, wenn ich sie abholen soll. Sie heißt Phoebe”, bemerkte Giles.
Sobald er sie allein gelassen hatte, eilte Lem auf Belinda zu, die immer noch den Kopf gesenkt hielt. Voller Zärtlichkeit fasste er nach ihrer Hand, aber sie wich vor ihm zurück. “Belinda, Liebling, erkennst du mich denn nicht?”, fragte er sanft.
Endlich sah sie ihm ins Gesicht. “Lem!”, rief sie mit weit aufgerissenen Augen. “Was machst du denn hier? Wer ist dieser Mann? Wollt ihr etwa dasselbe mit mir tun, was den anderen Mädchen angetan wurde?”
Offensichtlich betrachtete sie nun jeden Mann als ihren Feind und wahrscheinlich auch die meisten Frauen.
“Dieser Herr ist Sir Neville Fortescue, Liebling, mein Arbeitgeber. Wir wollen dich aus diesem abscheulichen Ort befreien.”
“Ja, Belinda, und dazu benötigen wir deine Hilfe”, warf Neville ein.
“Wie könnten Sie mich retten?”, entgegnete sie unter Tränen. “Dieses Haus wird wie ein Gefängnis
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