Ein sueßes Stueck vom Glueck
konnte ihr nicht helfen. Er konnte und würde ihr nicht helfen herauszufinden, wie sie den französischen Schokoladenmarkt übernehmen konnte, und erst recht nicht, wie sie bei sich zuhause seine Herzenskunst in einer gepanschten Version als Massenware produzieren konnte.
»Wozu brauchst du das? Hast du nicht schon genug Geld?«
Sie gestikulierte mit einer Hand und gab keine Antwort. Ihr ernster Gesichtsausdruck war nicht gewichen. Sie wollte nur nicht mit ihm über ihre Beweggründe reden.
Dass Frauen aber auch immer noch etwas anderes im Kopf herumgehen musste. Konnte sie nicht einfach den Abend genießen? Er seufzte. »Möchtest du, dass ich rausgehe und ein paar Marshmallows und biscuits besorge?«
Ihr Gesicht hellte sich auf. Das Ablenkungsmanöver hatte funktioniert. Er fühlte sich trotzdem, als hätte er seinen eigenen Gaumen als Köder geopfert.
»Soll ich dir zeigen, wie man s’mores macht?«
»Klar«, log er. Er war so ein Weichei. Aber ihm gefiel ihr glücklicher Gesichtsausdruck nun mal viel besser als der schwere, müde.
Und so kam es, dass Sylvain Marquis, weithin bekannt als der beste Chocolatier von Paris und somit der Welt, aus Marshmallows, Butterkeksen und billiger Supermarktschokolade, die er nicht einmal einem dreijährigen Kind zu essen geben würde, s’mores herstellte.
Aber Himmel, es machte sie wirklich glücklich. Sie saßen auf dem Boden vor dem Kamin, in den sie einen Spirituskocher gestellt hatte, weil sie darauf bestanden hatte, dass s’mores auf dem Boden gemacht werden müssten. Sie hatte etwas von einem aufgeregten Kind, das da Vinci eine Buntstiftzeichnung eines windschiefen Smileys zeigt.
Wobei er natürlich da Vinci war. Er hatte keinerlei Skrupel, seine Kunstfertigkeit in Bezug auf Schokolade mit da Vincis Kunstfertigkeit im Bereich der Kunst zu vergleichen.
Sylvain aß seins nicht. Sie war so fröhlich damit beschäftigt, die biscuits über dem schmierigen Marshmallow zusammenzudrücken und ihm den ersten an die Lippen zu halten, dass er ihn ihr aus der Hand nahm und sie küsste. Sie befanden sich bereits auf dem Boden, sodass es nicht lange dauerte, bis sie vom Sitzen ins Liegen übergingen, er sich auf seinen Ellbogen über sie beugte und … sich herausstellte, dass er über mehr Energie verfügte, als er gedacht hatte.
Die Spirituskartusche war leer gebrannt, ehe sie sich wieder an sie erinnerten. Im Geiste klopfte er sich anerkennend auf die Schulter.
Aber das Gefühl der Selbstzufriedenheit hielt nicht lange an.
Sylvain lag auf dem harten Boden, Kekskrümel pikten in seinen nackten Rücken, ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, und er streichelte ihr glattes, seidiges Haar. Er konnte ihre langen, gleichmäßigen Atemzüge auf seiner Haut spüren und vielleicht auch die ganz zarte Andeutung eines damenhaften Schnarchens. Sylvain schaute grübelnd zu der stuckverzierten Decke. Er hätte vor Freude strahlen sollen, eins mit sich und der Welt sein müssen, aber eine leichte postkoitale Enttäuschung hatte seine Stimmung verdüstert.
Sie hatte gerne Sex mit ihm. Sie war verrückt nach seiner Schokolade. Aber er war sich nicht sicher, ob sie sich abgesehen von diesen beiden zugegebenermaßen entscheidenden Wesenszügen auch nur im Geringsten für irgendeinen anderen Aspekt seiner Persönlichkeit interessierte. Aber damit könnte er leben. Es machte ihm nichts aus. Er hatte sein ganzes Leben damit zugebracht, seine Schokolade unwiderstehlich zu machen. Er würde sich doch jetzt nicht beklagen, wenn es dabei um einen Preis wie sie ging.
Das Problem lag darin, dass sie nicht einmal ein Ticket kaufen musste, um nach Hause zurückzukehren. Sie bräuchte bloß in der Sekunde, in der sie sich zum Aufbrauch entschloss, ihren Privatjet zu besteigen und weiterzuziehen. Und das würde ziemlich bald der Fall sein, oder? Sie war doch nur zu Besuch hier.
21
Cade wachte davon auf, dass es hell war, und davon, dass Sylvain gut gelaunt und singend in der Wohnung umherlief, irgendein französisches Lied, das sie nicht kannte. Er hatte eine gute Stimme, einen hübschen, vollen Tenor.
»Ich gehe schnell ein paar pains au chocolat« kaufen, sagte er zu ihr, wobei seine Stimme durch die Daunendecke, unter der ihre Ohren vergraben waren, gedämpft wurde. Es gefiel ihr darunter. Es war gemütlich, warm und dunkel, und es roch nach Schokolade und zwei menschlichen Körpern, und sie wünschte sich fast, er ginge mit einem »Ciao« hinaus, sodass sie einfach dort bleiben und sich um nichts
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