Ein sueßes Versprechen
für eine ganze Weile. Die Gegend gefällt mir. Gut zum Reiten und Jagen. Nicht so weit von London entfernt, dass ich nicht ab und zu rasch hinfahren kann.«
»Sie brauchen ein richtiges Anwesen – ein Haus allein wäre nicht groß genug, um Sie auf Dauer zu beschäftigen.«
»Ich muss beschäftigt werden?«
»Sie brauchen Leute um sich herum, die Sie befehligen können. Vielleicht wäre ein Landgut, zu dem ein kleines Dorf oder zwei gehören, am besten.« Sie blickte ihn an. »Ein Mann wie Sie braucht Leute, die er beaufsichtigen kann, die er beschützen kann. Jemanden, den er ermutigen kann, sich zu entwickeln und am Ende zu triumphieren.«
Er sah es vor sich – konnte sich sogleich selbst in dieser Rolle sehen und wusste, sie hatte es auf den Punkt gebracht, was er brauchte. Er war in die Armee eingetreten, weil es für ihn als vierten Sohn keine vorbestimmte Rolle gegeben hatte. Aber in der Armee hatte ihm auch etwas gefehlt, und zwar länger an einem Ort zu bleiben, Wurzeln zu schlagen.
Die Erkenntnis, dass sie recht hatte – dass er einen Platz für sich finden musste, eine Aufgabe und einen Lebenszweck, wenn er wieder in England war –, gab ihm ein Gefühl der Verletzlichkeit, weil er wusste, selbst wenn er seine Mission erfolgreich abgeschlossen hatte, würde er diese Herausforderung noch meistern müssen. Dass er erst, wenn ihm das gelungen war, ein Leben führen würde, wie er es gerne leben würde.
Er sah sie an.
»Aber was ist mit Ihnen?« Er verlagerte sein Gewicht, betrachtete ihr Gesicht. »Was werden Sie tun, wenn Sie wieder zu Hause sind?« Und fragte dann kühn: »Wartet dort ein Verehrer oder gar ein Verlobter? Hochzeitsglocken und ein Haushalt? Und schließlich irgendwann Kinder?«
»Keines von den beiden Erstgenannten, also auch das Dritte nicht, ebenso wenig wie das Vierte oder Fünfte.« Loretta wusste, sie sollte solche Unverschämtheit nicht noch ermutigen. Gentlemen stellten jungen Damen solche Fragen nicht, und anständige junge Damen beantworteten sie auch keinesfalls. Aber sie hatte bereits das Bekenntnis zu Anstand und Sittsamkeit über Bord geworfen. Sie hob ihr Gesicht in die kühle Nachtluft.
»Ich bin hier, auf dieser Reise mit Esme, eben weil ich so viele Verehrer abgewiesen habe.«
Ein Moment verstrich, dann fragte er:
»Wie viele?«
»Acht.«
Selbst ohne hinzusehen, wusste sie, dass er darum kämpfte, eine neutrale Miene beizubehalten.
»Ich habe seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in den obersten Gesellschaftskreisen verkehrt, aber sogar ich weiß, dass das nicht …«
»Normal ist? Üblich? Und es ist zudem nicht hinnehmbar.«
»Hinnehmbar für wen?«
Sie winkte ab.
»Die gute Gesellschaft im Allgemeinen, wenigstens wurde mir das gesagt.«
»Sie wissen es nicht?«
»In England führe ich ein eher zurückgezogenes Leben.«
Sie konnte seinen Blick auf ihren Zügen fühlen, spüren, wie er sie nachdenklich musterte.
»Aus freiem Willen. Sie leben so abseits des gesellschaftlichen Trubels, weil Sie das vorziehen.«
»Nicht abseits der guten Gesellschaft.« Sie sah kurz zu ihm. »Ich meide nur den größten Trubel, die Bälle und Partys, die endlosen, allzu oft hirnlosen Unterhaltungen.«
Rafe konnte das verstehen.
»Ich bin selbst nicht unbedingt ein Freund hirnloser Unterhaltung.« Nach einem Moment fragte er: »Sie haben wirklich acht Heiratsanträge abgelehnt? Ich nehme an, es waren alles begehrenswerte Partien nach den üblichen Maßstäben. Waren die Herren Ihnen nicht ruhig genug?«
Sie runzelte die Stirn.
»Im Grunde genommen waren sie das eben schon. Aufrecht, steif und zugeknöpft. Sie … hätten nicht zu mir gepasst. Sie dachten, ich sei … anders, jemand, der ich in Wahrheit nicht bin. Eine anständige, sittsame und fügsame junge Frau.«
Er dachte daran, wie er sie inzwischen kennengelernt hatte – die Tigerin, die mit Gebetbüchern nach Angreifern warf, die einen anderen mit einem massiven Kerzenständer außer Gefecht setzte, die herrische Frau, die darauf bestand, seine Wunde zu versorgen, die aufmerksame und gerissene Piquet-Spielerin, die ihn herausgefordert hatte – und lächelte.
»Sie sind nichts von alldem.«
»Ich weiß.« Sie klang grimmig. »Aber zur Ehrenrettung meiner abgewiesenen Verehrer muss ich gestehen, dass ich den Anschein erweckt habe, so zu sein. Es war eine ausgezeichnete Verkleidung, die es mir erlaubt hat, dem übelsten Trubel aus dem Weg zu gehen.«
»Sie haben so getan, als seien sie anständig, sittsam
Weitere Kostenlose Bücher