Ein sueßes Versprechen
zögerte, dann schaute sie auf ihre Handarbeit, setzte ihren nächsten Stich. »Allerdings nicht wirklich aus freiem Willen.«
»Mögen Sie die Stadt nicht?«
»Ich habe nichts dagegen einzuwenden, solange es gering dosiert ist. In den letzten Jahren hingegen war meine Schwägerin Catherine entschlossen, ihre Pflicht zu tun – oder das, was sie dafür hält – und mich angemessen zu verheiraten, daher haben wir die gesamte Saison und dann auch noch die kleine Saison in der Hauptstadt verbracht. Das ist für meinen Geschmack zu viel.«
Rafe konnte dem aus ganzem Herzen zustimmen. Dennoch …
»Ich dachte, eine der Hauptbeschäftigungen von Frauen der guten Gesellschaft, seien sie nun verheiratet oder nicht, bestünde darin, den Heiratsmarkt im Blick zu behalten und sich all den Tätigkeiten hinzugeben, die damit zusammenhängen.«
Loretta grinste.
»Meine beiden Schwestern sind bereits verheiratet, und meine Nichten sind noch Kleinkinder.« Sie schaute auf und sah ihm in die Augen. »Und wie wir schon gestern besprochen haben, legen meine Anforderungen an einen Ehemann die Vermutung nahe, dass er klug genug ist, sich den meisten Teil des Jahres anderweitig sinnvoll zu beschäftigen. Daher ist es in meinen Augen unnötig, so viel Zeit in London zu verbringen. Ich werde ihn – meinen zukünftigen Gemahl – dort vermutlich ohnehin nicht treffen.«
Er brummte etwas.
»Was also interessiert Sie, wenn Sie in London sind, und wie verbringen Sie Ihre Zeit, wenn Sie auf dem Lande weilen?«
»In London besuche ich neben all den Bällen, Soireen und Gesellschaften, bei denen Catherine dafür sorgt, dass ich an ihnen teilnehme, am liebsten Ausstellungen oder Freunde, schreibe Briefe und habe eine, wie mir gesagt wurde, entschieden alles andere als damenhafte Neigung, Zeitung zu lesen. Ich bin zudem dafür bekannt, mich an politischen Diskussionen zu beteiligen, was offenkundig ein Verhalten ist, das höchstens noch bei einer älteren verheirateten Frau zu dulden ist, aber nicht bei jemandem in meinem jugendlichen Alter.«
Er schnaubte abfällig.
Sie nickte.
»Ganz genau meine Meinung.«
Er schaute zu, wie ihre Lippen sich zu einem geheimnisvollen Lächeln verzogen. Als sie nichts mehr sagte, hakte er nach.
»Und auf dem Land? Wie füllen Sie dort Ihre freie Zeit?«
Fast ein wenig überraschend zögerte sie, fuhr dann aber fort:
»Ich unterhalte einen regen Briefwechsel mit Freunden und Bekannten. Und natürlich lese ich auch dort Zeitung. Aber davon abgesehen reite ich, gehe spazieren und tue all die Dinge, die Damen auf dem Lande unternehmen. Die Dörfer in der Nähe aufsuchen, sich mit Nachbarn treffen, solche Sachen eben.«
Er konnte nicht genau sagen, was sie ihm verschwieg. Bevor er der Sache weiter nachgehen konnte, schaute sie ihn an.
»Sie müssen doch auch Zeit in London verbracht haben, ehe Sie in die Armee eingetreten sind. An was erinnern Sie sich von der guten Gesellschaft?«
Eine absichtliche Ablenkung oder … Im Geiste zuckte er die Achseln.
»Ich habe nur sechs Monate in der Stadt verbracht. Von unseren Freunden abgesehen, sind die einzigen, die mir im Gedächtnis haften geblieben sind, die sogenannten Grandes Dames. Eine von ihnen war Lady Osbaldestone. Sie hat mir richtiggehend Angst eingejagt. In Waterloo, als wir mit den Cynsters geritten sind, habe ich herausgefunden, dass sie auch ihnen Angst macht.«
Loretta lächelte breit.
»Ich kenne sie. Sie ist gar nicht so furchteinflößend.«
»Vielleicht nicht für Sie. Wer regiert eigentlich gegenwärtige die gute Gesellschaft?«
Sie teilte es ihm mit, frischte seine Erinnerung an alte Bekannte mit den jüngsten Entwicklungen auf und beschrieb ihm lebhaft die, die er nicht kennengelernt hatte. Von da aus wandte sich ihre Unterhaltung anderen Themen zu – den Getreidezollgesetzen, den Aufständen von Peterloo –, von denen er gehört hatte, die er aber nicht weiter verfolgt hatte. Zu seiner nicht geringen Überraschung verfügte sie über ein erstaunlich profundes Wissen über die gesellschaftlichen Unruhen der letzten Zeit. Wenn sie nicht vorher gestanden hätte, wie gerne sie Zeitungen las, und dass sie mit Abgeordneten im Unterhaus und Mitgliedern des Oberhauses sprach, hätte er sich gewundert.
Er entschied, dass sie einfach ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Einzelheiten besaß. Und er wusste bereits, dass sie wissbegierig war.
Dann kam Esme hereingeschlendert und setzte sich zu ihnen. Dadurch kam es zu keinen persönlichen
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