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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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verwandelten, als diebeiden Frauen in seiner Familie einander ins oberste Stockwerk jagten.
    »Glaubst du etwa, du hättest so viel erreicht, diese Karriere gehabt, so viele Möglichkeiten bekommen, wenn wir nicht immer für dich da gewesen wären?«, schrie Rita. Sie stand vor Rachels Zimmertür und musste mit ansehen, wie ihre Tochter ihre Habseligkeiten in einen großen Kleidersack stopfte. »Deine Mutter war ein Teenager, Rachey. Ein verdammter Teenager!«
    Rachel fiel es schwer, an alles zu denken, was sie in der kurzen Zeit zusammensuchen musste, die vielleicht die letzten Minuten ihres alten Lebens waren. In ihrer alten Welt. Einer Welt, die nicht zu ihr gehörte. Viele ihrer Sachen waren bereits bei Richard, aber sie besaß noch andere Dinge, die sie vermissen würde.
    Sie packte so viel ein, wie sie in den Sack bekam: ihre GHD -Haarglätter, drei Paletten Lidschatten von Mac in einer Vielzahl von Farben, ihre DVD -Box von Scrubs   – Die Anfänger und ein Päckchen dünner Haargummis. Ihre Bewegungen waren rasch und hektisch, während sie so viel aufsammelte, wie sie nur konnte.
    Das Opfer war sie . Sie war hier die Verletzte. Das fand sie zumindest. In den Augen brannten Tränen, als sie Lamb einpackte, ein Stofftier, das sie »zu ihrer Geburt« bekommen hatte. Aber von wem?, dachte sie plötzlich. Rachel hatte immer angenommen, es sei von einer ihrer reichen BMW -fahrenden Tanten, doch in Wirklichkeit hatte vermutlich ihre Großmutter dafür bezahlt, die in Armut in einer Sozialwohnung an der M 25 gelebt hatte.
    Ihre Welt fiel in Scherben. Bilder zuckten ihr vor den Augen vorbei; ihre frühesten Erinnerungen, wie sie im Garten stürzte, sich die Knie aufschlug und nach ihrer Mutter rief. Rita war es, die zu ihr kam. Rita war herbeigerannt, hatte sie aufgehoben und die Knie verpflastert. Alle ihre Erinnerungen, die mit dem Haus verbunden waren, alle Verwirrung; sie verließen sie in Form von Tränen.
    Und dazu kamen Schuld und Wut. Schuld. Wut.
    »Bitte hör zu, bitte, geh nicht.« Rita begann zu flehen. Sie umklammerte den Türrahmen so fest, als hinge ihr Leben davon ab. Ihr war klar, dass sie im Begriff war, ihre Tochter zu verlieren. »Mir tut es so leid, dass wir es dir nicht gesagt haben, aber du musst noch so viel über die Gründe für unsere Entscheidung erfahren. Wir haben es nur für dich getan«, sagte sie und wischte sich mit dem Rücken ihrer freien Hand die Augen. Ihre Emotionen überschlugen sich, schwankten zwischen Kränkung und Schock, zwischen Wut und Angst. Angst, den Menschen zu verlieren, der ihr auf der ganzen Welt am teuersten war.
    Und dieser Mensch packte seine Sachen und behauptete, keine echte Bindung mehr zu ihr zu empfinden.
    Adoptivkinder redeten manchmal nicht mehr mit ihren Eltern   … sie brauchten sich weniger verpflichtet zu fühlen. Zumindest fürchtete Rita das. Sie hatte es gefürchtet, seit sie eines regnerischen Morgens im März ihre adoptierte kleine Tochter nach Hause getragen hatte. Die Furcht war nie ganz verschwunden, und jetzt wurde sie Wahrheit.
    »Ich begreife einfach nicht, wieso ihr mich belogen habt«, sagte Rachel mit schwankender Stimme und knallte den Fuß auf den Sack, um die Sachen irgendwie fester zu packen, die aus der Öffnung schauten. Deutlich war das Bersten von Glas irgendwo unter ihren Haarglättern zu hören. Ein Höschen fiel heraus, doch Rachel hatte keine Lust, es wieder hineinzustopfen.
    »Kannst du es mir nicht verzeihen, nach allem, was wir für dich getan haben? Hör mir wenigstens zu und versuche zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, ja?«, bat Rita und trat ganz in das Zimmer, ein Versuch, Rachel den Weg zu versperren, obwohl sie spürte, wie schwach sie körperlich unter der Anspannung war.
    »Jetzt nicht. Ich muss gehen   – dieses Haus, diese Welt, ich gehöre nicht dahin«, sagte Rachel melodramatisch und baute sich fast vor der Frau auf, die sie vor so vielen Jahren aufgenommen hatte. Sie wusste zwar, dass die Worte, die ihr über die Lippen kamen, ein wenig übertrieben waren, sogar albern, aber sie kamen trotzdem. »Lass mich einfach vorbei«, sagte sie ruhig in dem Versuch, nicht aus vollem Hals loszubrüllen und noch den letzten Rest Beherrschung zu verlieren.
    »Nein, bitte, Rachel, bleib doch bitte.« Rita weinte wieder heftig, und ihre Schultern sackten ab.
    »Lass mich durch«, flüsterte Rachel. Ihr rannen selbst die Tränen herunter.
    Rita stand einen Augenblick reglos da. Sie atmete heftig. Unter der

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