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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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aus der Familie?«, fragte Edward gelassen, um die Wut, die im Zimmer stand, zu zerstreuen.
    »Nein. Niemand aus dieser beschissenen sogenannten Familie hat mir etwas gesagt!«, brüllte Rachel und gab einen kleinen Eindruck von ihrem Zorn darüber, dass alle außer ihr die ganze Zeit über Bescheid gewusst hatten. »Ich habe die Papiere gefunden, als ich unter eurem Bett nach meinem Führerschein gesucht habe. Kein Wunder, dass du mit deiner Ablage immer so geheimnisvoll getan hast«, sagte sie bitter. Sie kniff die Augen zusammen; ihr kamen die Tränen. »Ihr macht euch keine Vorstellung, wie mich das getroffen hat«, fügte sie hinzu und biss die Zähne zusammen.
    Rita beugte sich vor, stützte den Kopf in die Hände und brach unter der Belastung ihrer Ängste und ihrer Verlegenheit in frische Tränen aus. »Du begreifst nicht, dass wir es geheim halten wollten, damit du ein normales, wundervolles Leben führen kannst. Wir haben es nur für dich getan«, sagte sie zwischen ihren Schluchzern.
    Rachel war nicht klar, wieso ihre Adoptivmutter wütend war oder auch nur empört. Alles, was sie zu wissen glaubte, war auf den Kopf gestellt worden   – und da sollte sie einfühlsam sein? Außerdem wäre die ganze Situation vermeidbar gewesen, wenn sie nur von Anfang an ehrlich zu ihr gewesen wären. Wenn hier jemand ein Recht darauf hatte, wütend zu sein, dann bin ich das, dachte sie wieder. Sie spürte, wie sich in ihr die Anspannung vervielfachte und körperlich wie üblich äußerte: tiefes, schweres Atmen und zitternde Hände.
    »Deshalb also hast du dich in letzter Zeit so rar gemacht«, stellte Rita mit tränenerstickter Stimme fest. Sie konnte ihrer Tochter noch immer nicht in die Augen sehen.
    »Ich habe Zeit zum Nachdenken gebraucht. Und um meine   … na ja, meine Mutter kennenzulernen«, sagte Rachel mit Groll in der Stimme.
    Rachel sah, wie durch Ritas Gesicht ein Stich der Eifersucht zuckte, die sie tief in sich spüren musste. Eifersucht gegenüber einer Frau, über die sie auf der Straße die Nase rümpfen würde. Einer Frau, von der sie sich in einem Laden bedienen lassen würde, wenn die Pappbecher und Pappteller anderswo ausverkauft waren, die sie noch kurz vor einer Sommergartenparty besorgen wollte.
    »Warum   … warum hast du uns es nicht einfach gesagt?«, schaltete sich Edward wieder ein, und diesmal hinderte seine Frau ihn nicht. Er war ein Mann weniger Worte, aber er sprach sie nun aus, auch wenn man ihn drängte, ein unbeteiligter Zuschauer zu bleiben.
    »Weil ich wütend war, Dad. Und weil ich Angst hatte, dassalles falsch klingen würde, wenn ich versuchen würde, mit euch zu reden, ehe ich mit mir selbst im Reinen war. Deshalb ist das nicht okay«, begehrte Rachel auf, stellte fest, dass noch mehr Hass aus ihrem Mund kam, obwohl sie eine ganze Weile in aufrichtiger Bewunderung für dieses Paar verbracht hatte, für die Sorge und Pflege, die sie ihr hatten angedeihen lassen.
    Nichts davon schien jetzt noch eine Rolle zu spielen.
    Mit einem Mal fühlte sie sich der Situation nicht mehr gewachsen. »Passt auf, ich muss los, ja?«, sagte Rachel. Hektisch band sie die Spitzenschuhe auf, zerrte an den Enden der Schnürsenkel und franste die Seide aus, und es war ihr völlig egal, weil sie an nichts anderes denken konnte als an Flucht.
    Rita hob den Kopf, und es schien, als hätten sich Bedauern und Verzweiflung in ihr Gesicht gegraben. »Bitte, Rachel, hör mir zu«, sagte sie. »Ich möchte dich nicht verlieren. Du begreifst nicht, wie demütigend, wie erschütternd es war, als sie einfach so aus dem Nichts auftauchte   …« Eindringlich sah sie ihre Tochter an, die sich die Schuhe von den Füßen zog und durch ein Paar brauner Ugg-Boots ersetzte.
    Edward setzte sich auf und lockerte den beengenden Hosenbund. »Bitte bleib noch, Rachel   – wir müssen uns als Familie zusammensetzen und darüber reden«, bat er.
    »Wir sind keine Familie«, erwiderte Rachel unverblümt, erhob sich, verließ das Zimmer und stürmte die Treppe hoch.
    Das war der Moment, an dem sich die Lage entzündete. Ein brennendes Streichholz war ins Benzinfass gefallen.
    »Ach, jetzt hör aber auf! Sei nicht so selbstbezogen, Rachel, wir haben alles nur für dich getan!«, brüllte Rita und rannte hinter ihrer Tochter die sorgsam lackierten Stufen hinauf.
    Edward blieb im Wohnzimmer, die Hände vor dem Gesicht, und hörte den Schritten zu, die zuerst hart und gedämpft waren und sich dann in widerhallendes Gepolter

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