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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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eine Farbige etwa Ende dreißig, die sehr ordentlich gekleidet war und außergewöhnlich nervös zu sein schien. Ein grauhaariger Mann Anfang fünfzig war auch da; er sah entsetzlich nach Mittelschicht aus in seinem gelblichen Cordanzug mit einer Fliege, die irgendwie mit seinem Schnurrbart im Konflikt stand. Er saß neben einer Frau mit elegantem fuchsroten Bubikopf und einem so schmalen Gesicht, dass man glauben konnte, sie habe Edvard Munch für Der Schrei Modell gestanden. Der Mann neben ihr war Ende zwanzig, Anfang dreißig und trug einen Arbeitsanzug; Bryony hielt ihn für einen Mechaniker. Ein Chinese erweckte den Eindruck, man habe ihn gezwungen hierherzukommen   – so wie sie –, und eine wunderschöne und verzweifelt aussehende Asiatin sprach mit niemandem ein Wort. So wie Bryony Weaver, dachte sie, die überhaupt nicht sicher ist, ob es eine gute Idee war, hierherzukommen.
    Sie blickte auf ihren Zettel. Die Regeln   …
Redet nicht übereinander. Gebt jedem die Gelegenheit zu sprechen, ehe ihr sagt, was ihr darüber denkt.
Habt keine Angst zu weinen.
Alles, was in diesem Raum gesagt wird, muss vertraulich behandelt werden.
Bitte respektiert die Privatsphäre der anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer und verzichtet darauf, Gespräche aufzunehmen oder Fotos zu machen.
Gebt keine Einzelheiten von Kriminalfällen preis, wie Namen von Angeklagten, Verdächtigen und Opfern. Unsere Einrichtung hat ein kleines Einzugsgebiet, und es ist besser, hier über Gefühle zu sprechen als über Einzelpersonen, die in Strafverfolgungsfälle verwickelt sind oder sein werden.
Schreit andere Gruppenmitglieder weder an, noch beleidigt sie. Erweist den Gedanken und Ansichten anderer Menschen euren Respekt.
Getränkekartons und Einwickelpapiere dürfen nicht imRaum oder im Flur zurückbleiben. Am Ende jeder Sitzung müssen die Stühle gestapelt werden.
Ihr müsst euren Namen nicht angeben, wenn ihr es nicht wollt. Ihr dürft euch gern einen Namen ausdenken; niemand braucht euren wirklichen Namen zu kennen.
Während der Sitzungen ist der Genuss von Alkohol untersagt.
Keine Tiere.
    Ein paar interessante »Richtlinien«, dachte Bryony und fragte sich, wer um alles in der Welt ein Tier mit in die Sitzung bringen würde. Hier war es selbst für einen Hund zu deprimierend, und Hunde waren immer munter.
    Sie ließ den Blick durch den Raum wandern, der vermutlich zu viktorianischen Zeiten eingerichtet worden war und nach Desinfektionsmitteln, Mottenkugeln und verdorbener Milch roch. Die Farbe blätterte von den Wänden ab, und die Scheibe des größten Fensters zur ähnlich trüben Straße war gesprungen und mit gelbem Klebeband notdürftig repariert worden.
    Bryony hatte eingewilligt, zu der Gruppe zu gehen, nachdem sie fünf Wochen lang von ihrer Mutter dazu gedrängt worden war. Als sie nun das Blatt las, musste sie einräumen, dass die Regeln fünf und acht ihr sehr gelegen kamen. Sie passten hervorragend zu ihrer Weigerung, irgendetwas über den Mann zu erfahren, der Max ermordet hatte; da dank der landesweiten Berichterstattung so gut wie jeder den Fall kannte, war Bryony sehr froh über diese Bestimmungen. Sie vermutete, dass niemand sie erkennen würde, wenn sie sich einen anderen Namen gab. Ihr Foto war in keiner Zeitung abgedruckt worden, also war sie wohl auf der sicheren Seite.
    Bryony gestand sich nur selten ein, dass sie nur ging, um ihre Mutter zu beruhigen, die davon überzeugt war, ihre Tochter seimittlerweile alkohol- und drogenabhängig. Das war reichlich ironisch, denn Bryonys einziges Drogenerlebnis bestand aus ein paar Zügen an einem Joint. Damals war sie Anfang zwanzig gewesen, und selbst an diesem Abend hatte sie fluchtartig den Raum verlassen und sich übergeben müssen.
    Bryonys Mutter hatte ihren Gewichtsverlust und ihre müden Augen zusammengezählt und Junkie herausbekommen, während Bryony sich nur die Bettdecke über den Kopf ziehen und den Rest ihres Lebens abwarten wollte. Ihr erschien alles so sinnlos.
    »Okay, sind wir alle so weit? Fangen wir mit dir an. Bitte stell dich vor«, sagte Sol und wies mit einer offenen Hand genau auf Bryony. Er zeigte nicht mit dem Finger, sondern hielt ihr die offene Handfläche hin. Wahrscheinlich so ein Psychotrick, den sie ihm beigebracht haben, damit die Leute sich öffnen, blablabla, dachte sie und blickte lächelnd an die Decke. Aber zugleich fühlte sie sich mit einem Mal sehr nervös.
    Sol sah sie erwartungsvoll und ermutigend an, als versuchte er ein

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