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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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dunkelblauen Bluse hob und senkte sich ihre Brust, und ein Diamantanhänger an ihrem Hals funkelte matt im Licht. Dann machte sie leise zwei Schritte nach rechts und gab Rachel den Weg frei. »Es ist deine Entscheidung, Rachel«, sagte sie. »Aber bilde dir nicht ein, du kannst jetzt noch immer kommen und gehen, wie es dir passt, und wir stehen bereit.« Die Offenheit ihrer Worte erschreckte sie selbst.
    Rachel zögerte nicht. Sie stürmte an Rita vorbei, die am Boden zusammenbrach, sich ein zurückgelassenes Top übers Gesicht zog und Tränen vergoss im Geruch der Tochter, die sie vielleicht niemals wiedersehen würde.
    Rachel eilte so schnell es ging die Treppen hinunter und sah aus wie eine Einbrecherin auf der Flucht. Der Sack verfing sich immer wieder am Geländer, doch sie riss ihn jedes Mal brutal los. Splitter platzten aus dem Holz. Als sie die Haustür endlich erreicht hatte, erwartete sie ihr Vater mit in die Hüften gestemmten Händen.
    »Das war es dann also?«, fragte er. Nun war er ebenfalls wütend. »Du gehst einfach? Ergreifst die Flucht?«
    Edward und Rachel starrten sich an. Ein paar Sekunden lang maßen sich ihre Blicke, und sie versuchten den anderen zu begreifen, fanden aber nicht die Verbindung und das Verständnis, das sie einmal geteilt hatten.
    Rachel umging ihn, öffnete die Tür und knallte sie fest hinter sich zu.
    Ein großes gerahmtes Familienfoto klapperte an der Wand im Flur, dann fiel es zu Boden, und das Glas zerplatzte auf dem Marmorfußboden in tausend Scherben.

31
    Glückliche Menschen.

    Montag, 22. Juni 2009
    Gemeindezentrum Drayton Road, Nord-London
    10 Uhr 30
    Regeln. Bryony hasste Regeln.
    »Ich weiß, die meisten von euch kennen sie schon, aber könntet ihr euch das Blatt bitte durchlesen? Es stehen ein paar Richtlinien drauf. Keine Regeln, nur Richtlinien. Aber wenn ihr euch über sie hinwegsetzt, dann muss ich euch bitten, zu gehen, okay?«
    Also sind es doch Regeln, dachte Bryony und biss sich ungehalten auf die Lippen. Regeln im Gewand von »Richtlinien«. Sie fiel nicht darauf herein. Seufzend wünschte sie sich, sie wäre im Büro, aber ihre Firma, ein Familienbetrieb, gab ihr einmal pro Woche für die Therapiesitzung frei.
    »Gesprächsgruppe Trauer und Verlust«   – so nannte sich die Veranstaltung, die von Sol Milderdale geleitet wurde, einem Therapeuten mit zig Jahren Erfahrung in der Trauerbewältigung, einem profunden Glauben an Gott und einem immens federnden Schritt. Sein Lächeln hätte aus einer Kindersendung stammen können, in der erwachsene Menschen als Blaubeeren, Waschbären, Feen und dergleichen auftraten, auf Hüpfbällen herumsprangen und von Liebe und Respekt sangen, als ständen sie unter Ecstasy. Genau davor hatte sich Bryony gefürchtet:Menschen wie Sol zu begegnen. Glücklichen Menschen. Optimisten.
    »Sobald ihr euch die Richtlinien angeschaut habt, können unsere neuen Teilnehmer sich vorstellen. Klingt das für euch okay?«, fragte Sol, der in der Mitte des Stuhlkreises stand und fröhlicher aussah als irgendjemand oder irgendetwas, das je in den Raum gekommen war.
    Eine Bitte war das auch nicht. Nicht so richtig.
    Das Elend schwebte durch den Raum wie das Gespenst des Selbstmords, begriff Bryony und zog sich den Pullover über die Knie. Selbst die Putzfrau, die vor Beginn der Sitzung mit einem Mopp durch den Raum gegangen war, hatte ausgesehen, als wollte sie vor dem Leben davonrennen.
    Sols »Bitte« wurde mit mehreren Grunzern beantwortet.
    Elf Personen befanden sich im Raum, und zehn davon saßen im Kreis auf Holzstühlen, die so hart waren, dass Bryony jeden einzelnen Wirbel in ihrem Rückgrat spürte, wie er sich gegen die Lehne drückte. Ihr Stuhl hatte außerdem noch ein wackliges Bein, und sie rechnete jeden Moment damit, dass es nachgab. Insgeheim hoffte Bryony sogar darauf; dann hätten sie wenigstens etwas zu lachen.
    Jeder schaute auf die Richtlinien, doch Bryony musterte verstohlen die anderen. Sie sah einen fülligen, nett aussehenden Mann, dem die Traurigkeit ins Gesicht geschrieben stand. Sie war in seinen Augen, in den Tränensäcken darunter, die aussahen, als trügen sie das Gewicht Tausender unvergossener Tränen. Neben ihm saß eine freundlich wirkende ältere Dame, die Bryony fortwährend anlächelte, weil sie wohl das Baby im Raum war. An ihrer Seite hockte eine bedrückt wirkende Frau mittleren Alters, die aussah, als hätte ihr jemand mit einem nassen Fisch ein paar hundert Mal ins Gesicht geschlagen. Dann kam

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