Ein Tag im Maerz
schlecht zu Leona Lewis zu singen, und es kam ihm vor, als könnte er nicht mehr tiefer sinken. Ihn erfüllte die Angst, dass das Vorgefallene seine Beziehung tatsächlich zerstört hatte. Die Angst, dass seine Freunde … erwachsen geworden waren. Wie es schien, kamen sie alle mit ihrem Leben voran. Während sein Leben vom einen Augenblick zum anderen in sich zusammengebrochen war. Tiefer konnte er nicht mehr fallen.
Doch es wurde noch schlimmer. Ehe Tom sich versah, kamen die Damen die Treppe heruntergestürmt. Sie klangen wie eine Herde Gnus, Gläser mit billigem Wein und Nagellackfläschchen in den Händen. Scheiße. Scheiße. Jetzt gab es kein Entkommen mehr.
»Owww, hallo, du kleiner Unruhestifter«, hörte er die schnurrende Cockneystimme von Lucy, der bei Weitem »schlimmsten« von Marks Mitbewohnerinnen. Sie schlenderte über den kleinen, mit Teppich ausgelegten Abstand zwischen der Treppe und der Frühstückstheke und pflanzte Tom einen dicken Kuss auf die Wange. Sie hinterließ einen riesigen, pinken Lippenstiftabdruck. Er spürte die Schicht aus Gloss auf seiner Haut, als sie sich zurückzog, und fragte sich, ob es unhöflich wäre, es sofort hektisch abzuwischen, oder ob er lieber einen Moment warten und sich das Zeug dann mit Spülmittel herunterwaschen sollte, während sie ihm den Rücken zuwandte.
Die anderen musterten Tom schüchtern und konnten einen Augenblick lang einmal keine aggressiven Sexfragen stellen, die Schenkel Prominenter kommentieren und über Angebote von Spanx diskutieren. Schließlich aber entdeckte eine von ihnen die aktuelle Ausgabe von Heat auf dem Küchentisch, und die Frauen kehrten rasch zu ihren üblichen Themen zurück.
Mark war den Mädchen nach unten gefolgt. Er trug einen Schlafanzug mit einer langen karierten Hose, von der er wusste,dass Frauen sie liebten. Entzückt stürzte er sich auf das chinesische Essen, doch als er aus Toms Richtung einen langen Seufzer hörte, hielt er inne und blickte ihn an.
Mark kniff die Augen zusammen. »Hör mal, Tom, entspann dich doch mal ein bisschen, okay? Wenn ich das mal so sagen darf, mein Freund, du hast Blödsinn gemacht, aber ich versuche dir zu helfen.« Er klang so, als wäre er ganz und gar nicht begeistert über das Verhalten seines Freundes. Anfangs war er froh gewesen, noch einen anderen Mann im Haus zu haben, aber Tom war nicht mehr der Tom, den er kannte. Er benahm sich ein bisschen wie ein Spielverderber.
»Na, herzlichen Dank für deine Unterstützung …«, murmelte Tom sarkastisch.
»Ich kapiere es echt immer noch nicht, wieso du es nötig hattest, diese ganzen Nachrichten zu lesen«, sagte Mark. »Sara ist eine ziemlich coole Frau. Wenn es in eurer Beziehung irgendwelche Probleme gibt, dann weißt du doch –«
»He! Mark! Kannst du nicht ein guter Freund sein und einfach versuchen, mich auf andere Gedanken zu bringen?«, brüllte Tom plötzlich, was die Frauen wieder zum Verstummen brachte. Sie wandten sich alle zu ihm um und starrten ihn mit offenem Mund an.
Mark erstarrte, schockiert über Toms Ausbruch. Süßsaure Soße tropfte langsam von dem Löffel, den er in der rechten Hand hielt. Doch da er in Gegenwart von Frauen immer Profi blieb, erholte er sich rasch, lächelte sie lässig an, als sei nichts gewesen, und sagte: »Weitermachen, meine Damen.«
Das leise Gemurmel begann erneut.
Mark schob Tom einen Teller mit Essen zu. Nach seinem Wutanfall war Tom auf der Frühstückstheke zusammengesunken.
»Ich bekomme nichts runter«, sagte er. Ihm war schlecht, und er stand auf.
»Ach, komm schon, bleib hier. Es tut mir leid, ich finde nur … ich finde …«
»Ja, tust du. Und Sara auch. Ich komme später wieder«, sagte Tom niedergeschlagen. Eilig zog er sich die Jacke über. Das Handy in der Hand, schoss er zur Vordertür hinaus. Während er der Straße folgte, dachte er wieder an Sara und fragte sich, was sie heute Abend wohl tat.
Und dann kam Tom die Idee – er wusste den idealen Ort für seinen emotional aufgewühlten Zustand. Er musste fliehen. Er sprang in die U-Bahn, nahm die Northern Line nach Moorgate und die Circle Line zur Liverpool Street; dort stieg er in einen Bus.
Es war dunkel und regnete noch immer, als er aus dem großen schäbigen Fahrzeug stieg, das Wolken aus dunklem, staubigem Mist in die Stadtluft blies. Mit eiligem Schritt ging Tom zu seinem Atelier in Shoreditch über einem Sandwichladen und einem Zeitungskiosk. Der Eingang lag in einer schmalen, engen Gasse.
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