Ein Tag und zwei Leben (Episode 3)
wer besser, toller, aufregender und begehrenswerter ist. Weil Damian und ich niemals nur Freunde waren. Die Erkenntnis hat sich oft genug in meine Gedanken geschlichen, aber so klar wie jetzt habe ich es noch nie gesehen. Damian und ich sind keine einfachen Freunde. Auch keine besten Freunde. Uns verbindet mehr als eine Freundschaft, aber wir führen auch keine Beziehung. Uns verbindet weder Liebe noch Freundschaft. Was es ist, kann ich nicht sagen … Mein Körper fühlt sich taub an, als Tobi mich zurück in die Wohnung führt, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt.
23:18 Uhr
Um die besten Plätze für das Feuerwerk zu bekommen, sollte man früh genug los. Wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, muss auch noch darauf geachtet werden, dass alle heil am Zielpunkt ankommen. Vor allem, wenn die Jungs einen Rucksack voller Feuerwerkskörper spazieren tragen. Ute und Karin scheinen die Lust auf ein gemeinsames Silvester mit Damians Abschied verloren zu haben; schon an der zweiten Ampel entschuldigen sie sich, weil andere Freunde »total spontan« in Stuttgart feiern und sie sich mit ihnen treffen wollen – ob ich ihnen böse wäre? Nein, bin ich nicht – ganz im Gegenteil. Das Atmen fällt immer leichter. Maya und Jonas bleiben uns treu, ebenso Matze und Conny, die mit Tobi laut lachend schon mal ein paar China-Böller zum Aufwärmen werfen. Männer! Was soll man da machen?
Maya hakt sich auf dem Weg in die Stadtmitte irgendwann bei mir ein und sieht mich aufmunternd an.
»Alles klar bei dir?«
»Klar! Es ist Silvester!«
Sie sieht mich noch immer an, obwohl ich versuche, ihrem Blick auszuweichen.
»Und er ist nicht hier.«
Ich hasse es, wenn ich so leicht zur durchschauen bin und Freunde mit nur einem Blick sehen, wie es mir geht. Manchmal kann ich das ganz gut überspielen, aber manchmal ist es so viel Arbeit und kostet viel Kraft. Die habe ich nicht mehr. Das Jahr ist zu lang gewesen. Zu oft musste ich so tun, als wäre alles okay. Heute kann ich nicht mehr. Tränen steigen in meine Augen und Maya bleibt stehen. Somit vergrößert sich der befreiende Abstand zu den Jungs. Zu Tobi …
»Was willst du wirklich, Lea?«
Weltverändernde Fragen um diese Uhrzeit an Silvester zu stellen, das ist echt unfair. Ich zucke die Schultern und gebe dadurch eine ziemlich ehrliche Antwort. Ich habe nämlich so gar keine Ahnung. Maya nickt mitfühlend, dabei tanzen die großen, dunklen Locken um ihr Gesicht.
»Das merkt man.«
»Tobi ist so … toll.«
Das ist er wirklich … Wenn er will … Und er will! Er will es mit mir. Er will sich anstrengen, für mich und mit mir.
»Liebst du ihn?«
»Ja!«
Oft … Meistens …
»Lea, wenn du ihn nicht wirklich liebst, dann tu das nicht.«
Ich liebe Tobi. Ich liebe Tobi so, wie viele Menschen ihre Partner lieben. Für viele ist das genug, weil sie die andere Art der Liebe nicht kennen. Weil sie denken, das ist schon das ganz große Glück. Sie geben sich damit zufrieden, weil sie denken, es kommt nicht mehr. Sie wissen es nicht besser. Das ist nicht schlimm, das ist Liebe. Auch große Liebe. Aber was passiert, wenn man die andere Seite kennt. Wie groß die Liebe noch werden könnte, zusammen mit einem anderen Menschen? Wenn man das nur als schönes Bild einer perfekten Welt erahnt, dann ist das nichts als ein Traum. Weit weg, in bunten Farben gemalte Fantasie. Wenn man es aber kennt, schon mal gespürt hat, dann … ja was dann?
»Du liebst Damian.«
»Nein! Ja, als Freund schon.«
Gerne würde ich selber glauben, was ich da erzähle, aber ist es wirklich das? Als Freund?
»Wie ihr euch anseht. Da wird einem Angst und Bange.«
Langsam gehen wir weiter, als der Abstand zum Rest der Gruppe groß genug ist. Es ist gut, dass sie meinen Arm hält, weil mir die Schritte ziemlich schwerfallen.
»Damian sieht dich ganz sicher nicht nur als seine beste Freundin, Süße. Da ist so viel mehr. Das sind Funken und die kann jeder sehen.«
Auch Tobi. Das weiß ich inzwischen und das tut ihm unheimlich weh.
»Tobi liebt mich.«
»Aber Liebe erzeugt nicht immer Gegenliebe.«
Jonas und Maya haben in ihrer Geschichte selbst erleben müssen, wie es sich anfühlt, sich gegen das Gefühl von aufkeimender Liebe zu wehren. Für sie hat es funktioniert, auch nach den fünf Tagen. Irgendwie. Einfach war es nicht, aber es hat funktioniert.
»Wo bleibt ihr denn?«
Tobis Stimme führt mich direkt zurück in die letzte Stunde des Jahres 2013. Maya lässt meinen Arm los
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