Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)
der Geschichte unseres Landes. Er wurde nicht aus politischen Interessen, sondern um das Überleben des ganzen Volkes, um den Bestand der Nation als solcher geführt. Man sollte meinen, in so einem Fall wäre es unangebracht, von Bezahlung zu sprechen – entweder du siegst und überlebst, oder du gehst unter, du und mit dir dein ganzer Stamm. Aber so seltsam das ist, gerade im Großen Vaterländischen Krieg wurden die bis heute gültigen Grundsätze der finanziellen Abrechnung mit den Wehrpflichtigen entwickelt.
Im Jahre 1941 erhielt ein Gefreiter der Sowjetarmee zwischen sechs und elf Rubel, je nach Dienstzeit. Nach Kriegsbeginn wurde auf den Sold die sogenannte «Feldzulage» aufgeschlagen (sie entspricht der späteren «Präsidentenzulage» in Tschetschenien). «Für den Krieg» bekam der Soldat schon doppelt so viel – bis zu zweiundzwanzig Rubel. Um die Größenordnung zu verstehen, sollte man wissen, dass ein Laib Brot damals zwei- bis dreihundert Rubel kostete, ein Stück Seife bis zu fünfzig Rubel.
Auf die Hand bekamen die Soldaten das Geld nicht. Es wurde auf gezwungen freiwilliger Basis in den Verteidigungsfonds eingezahlt. Auf diese Weise flossen dem Staat 8 , 4 Millionen Rubel Bargeld zusätzlich zu, und er verkaufte Obligationen für elf Millionen Rubel. Das waren ungefähr zwanzig Prozent aller Mittel, die für den Sieg aufgenommen wurden.
Bei den Offizieren lag die finanzielle Besoldung deutlich höher, aber auch hier reichte sie nicht aus, um die Familien der Kommandeure zu unterhalten. So bekam ein Zugführer sechshundertfünfundzwanzig Rubel (zwei Laib Brot), ein Kompanieführer siebenhundertfünfzig (zwei Laib Brot plus ein Stück Seife), ein Bataillonskommandeur achthundertfünfzig Rubel. In den Archiven ist ein einzigartiges Dokument erhalten – das Ausgabenverzeichnis der Nordmeerflotte für den November 1943 . Unter Nummer eins ist der Kommandeur der Nordmeerflotte, Admiral Golowko, verzeichnet. Sein Gehalt betrug 6755 Rubel. Davon wurden sechshundert Rubel für die Staatsanleihe abgezogen, fünfhundert für das Zeugnis einbehalten und 5555 Rubel ausgezahlt (Gegenwert von etwa achtundzwanzig Laib Brot).
Ihr Geld schickten die Offiziere am liebsten an ihre Familien im Hinterland. Dafür wurden Geldanweisungen für die Verwandten ausgehändigt, die übrigens weniger der materiellen Versorgung als vielmehr der Aufrechterhaltung der Verbindung zwischen Frontsoldaten und ihren Angehörigen dienten. Für das übersandte Geld konnte man sogar im tiefsten Hinterland nur drei bis vier Liter Milch kaufen. Aber mit Hilfe der Finanzverwaltung gelang es der Mehrzahl der Offiziere immerhin, ihre evakuierten Familien wiederzufinden.
Aus dem Brief des Oberleutnants Nikolaj Kalininskij: «Seit dem ersten Januar befinde ich mich in ununterbrochenen Kämpfen um die Befreiung der Lenin-Stadt. Ich schreibe unleserlich, in Eile, die Umstände hier erlauben nichts anderes, ein unaufhörliches Donnern liegt in der Luft, wie man es nur sommers während eines großen Gewitters hört. Das Geld, Irina, siebenhundert Rubel, ist an dich überwiesen, du solltest es bekommen … Ich gratuliere unserer Tochter zum Geburtstag, aber leider konnte ich ihr kein Geschenk schicken. Kauf du ihr dort etwas Schönes … Jetzt habe ich dir, Irotschka, in einem Brief geschrieben, dass dir tausend Rubel überwiesen wurden, doch heute erfuhr ich, dass es nicht tausend, sondern dreihundertfünfzig waren, der Rest war dem Finanzchef nicht angewiesen worden, bestimmt kommt es am Fünfzehnten, und er wird es gleich an dich schicken. Und ich bekomme auch noch etwas und schicke es zusätzlich an dich. Bislang bin ich am Leben und gesund. Aber die Geschosse detonieren schon ganz in der Nähe. Bei mir in der Kompanie ist ein Offiziersschüler gefallen, ein anderer ist gestorben. Man hat sie am Abhang beerdigt und einen kleinen Pfosten aufgestellt.»
Nikolaj Kalininskij sollte seine Tochter nicht mehr wiedersehen. Er starb am 22 . März 1943 zwei Kilometer entfernt von dem Dorf Woronowo, in der Schlacht um Leningrad.
***
Mit Beginn des Krieges wurden Ausgleichszahlungen für die Familien der Gefallenen eingeführt. Ein Gefreiter der Infanterie begründete in dieser Situation die geringsten Ansprüche. Für den Verlust des Ernährers bekam eine vierköpfige Familie zweihundert Rubel. Eine zweiköpfige hundert Rubel. Auf dem Land wurden diese Beträge noch einmal um die Hälfte gekürzt.
Offizierswitwen erhielten schon
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