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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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als die »Schreckensjahre«. Das meint sie nicht ganz wörtlich, versteht sich, aber
ich bin davon überzeugt, dass sie genauso wenig wie ich diese Jahre
noch einmal durchmachen will.
    Von »Schreckensjahren« redet sie, weil es Augenblicke gab, in denen sie alles schrecklich fand. Sie war eigentlich ständig genervt. Es
nervte sie, wie sie aussah und wie sie sich fühlte. Frauen, deren Brüste nicht schmerzten, und Frauen, die noch in ihre Kleider passten,
nervten sie. Sie fand es schrecklich, dass sie ständig fettige Haare
hatte und zum ersten Mal seit ihrer Pubertät wieder Pickel bekam.
Am allerschrecklichsten war jedoch der chronische Schlafmangel.
Der führte zu einer permanenten Überreizung, und so ärgerte es sie
immer ganz besonders, wenn ihr andere Mütter berichteten, ihre
Kinder würden durchschlafen, seit sie aus der Klinik nach Hause
gekommen seien. Im Grunde hasste sie jeden, der mehr als drei
Stunden Schlaf bekam, und manchmal hasste sie sogar auch mich
dafür, dass ich gelegentlich im Gästezimmer übernachtete - aber ich
konnte die Kinder ja nicht stillen und musste außerdem in der Kanzlei dauernd Überstunden machen. Ohne ein paar Stunden Schlaf am
Stück hätte ich mein Arbeitspensum niemals durchgehalten. Vom
Verstand her sah sie das natürlich völlig ein, aber übel nahm sie mir
mein Schlafprivileg trotzdem.
    »Guten Morgen«, begrüßte ich sie für gewöhnlich, wenn sie völlig
übernächtigt in die Küche gestolpert kam. »Wie war deine Nacht?«
Statt zu antworten, winkte sie nur erschöpft ab und griff zur Kaffeekanne.
»Unruhig?«, fragte ich, schon etwas eingeschüchtert.
»Du würdest das keine Woche durchstehen!«
Wie auf ein Stichwort fing das Baby wieder an zu weinen. Jane biss
die Zähne zusammen, stellte ihre Kaffeetasse geräuschvoll auf den
Tisch und zog ein Gesicht, als würde sie sich fragen, für welches
Verbrechen Gott sie eigentlich bestrafe.
Ich begriff schnell, dass wir die Situation am besten bewältigten,
wenn ich gar nichts sagte.
Außerdem ist es ganz einfach eine Tatsache, dass sich durch die
Geburt eines Kindes eine Beziehung grundlegend verändert. Man ist
nicht mehr nur Mann und Frau, sondern auch noch Vater und Mutter.
Spontane Entscheidungen funktionieren nicht mehr. Abends essen
gehen? Da müssen wir erst einmal in Erfahrung bringen, ob die
Schwiegereltern auf das Kind aufpassen können. Oder einen anderen
Babysitter suchen. Es läuft ein toller neuer Film? Tut mir Leid, seit
einem Jahr studieren wir nicht einmal mehr das Kinoprogramm. Wochenendurlaub? Völlig undenkbar. Für all die Dinge, die zu Beginn
unserer Ehe so zentral gewesen waren - Spaziergänge, endlose Gespräche, traute Zweisamkeit -, blieb keine Zeit mehr. Und das empfanden wir beide als problematisch.
Das soll nicht heißen, dass die ersten Jahre mit den Kindern nur
Mühe und Arbeit waren. Wenn mich jemand fragt, wie man sich als
Vater fühlt, antworte ich immer: Es ist die schwierigste Aufgabe im
Leben eines Menschen, aber man bekommt sehr viel dafür - man
bekommt das Geschenk bedingungsloser Liebe. Alles, was ein kleines Kind tut, erscheint seinen Eltern wie ein Wunder. Sie haben das
Gefühl, noch nie etwas so Zauberhaftes gesehen zu haben. Bei jedem
meiner drei Kinder gab es Tage, die ich nie vergessen werde: den
Tag, an dem sie mich das erste Mal angelächelt haben. Oder den Tag,
an dem sie die ersten Schritte wagten - ich weiß noch genau, wie ich
immer Beifall geklatscht habe und wie Jane vor Rührung die Tränen
über die Wangen liefen. Und es gibt nichts Beglückenderes, als ein
friedlich schlafendes Kind in den Armen zu halten. In solchen Momenten habe ich mich immer wieder gefragt: Wie entstehen diese
tiefen, innigen Gefühle? Woher kommt diese hingebungsvolle, diese
schrankenlose Liebe? Die Mühen und Strapazen kann ich zwar auch
noch aufzählen, aber die dazugehörenden Emotionen und Bilder sind
viel unschärfer, viel weiter weg als die Glücksgefühle, sie sind wie
Träume, die man beim Aufwachen schon fast wieder vergessen hat.
Es gibt nichts, was man mit der Erfahrung, Kinder zu haben, vergleichen kann, und trotz aller Schwierigkeiten bin ich unendlich
glücklich darüber, dass wir diese Familie gegründet haben.
Aber, wie gesagt: Ich habe auch gelernt, dass man immer auf Überraschungen gefasst sein muss.
    Jane sprang vom Sofa auf und fiel Anna vor Freude um den Hals.
Wir mochten Keith sehr. Als auch ich meiner Tochter gratulierte und

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