Ein Tag wie ein Leben
nur mit Hochzeitstorten. Es gibt große und kleine, versteht sich,
und außerdem noch sämtliche Zwischengrößen, und dann muss man
sich für eine Geschmacksrichtung entscheiden und welche Glasur
man möchte, wenn überhaupt eine, ob man vielleicht eine ausgefallene Form will und welche zusätzliche Dekoration - und so weiter
und so fort…«
Ich nickte beeindruckt.
»Aber das ist längst noch nicht alles.« Jane verdrehte die Augen,
und ich musste lachen - ihr Enthusiasmus rührte mich richtig.
Nicht immer stehen die Sterne günstig, aber an dem Tag passte alles zusammen. Jane sprudelte euphorisch, der Abend hatte eben erst
angefangen, gleich würden wir gemeinsam ein romantisches Dinner
zu uns nehmen. Die Welt schien wieder in Ordnung zu sein, und als
ich der Frau zulächelte, mit der ich nun fast dreißig Jahre verheiratet
war, dachte ich, der Tag hätte nicht besser verlaufen können, selbst
wenn ich ihn bis ins Detail geplant hätte.
Während ich das Essen zu Ende vorbereitete, berichtete mir Jane
vom Rest ihres Tages. Sie beschrieb ausführlich die Torte (zwei Etagen, Vanillearoma, die Glasur mit Crème fraîche) und die geplanten
Fotos (Cayton korrigiert kleinere Mängel am Computer). Im warmen
Küchenlicht konnte ich die kleinen Fältchen in ihren Augenwinkeln
sehen, diese federleichten Spuren unserer zahlreichen gemeinsamen
Jahre.
»Wie schön, dass alles so gut gelaufen ist«, sagte ich. »Und wenn
man bedenkt, dass es der erste Tag war, habt ihr doch schon ganz
schön viel geleistet.«
Der Duft von zerlassener Butter erfüllte die Küche, das Kalbfleisch
begann leise zu zischen.
»Ich weiß. Und ich bin sehr froh darüber, das kannst du mir glauben«, entgegnete Jane. »Aber wir wissen immer noch nicht, wo der
eigentliche Empfang stattfinden soll, und bis das nicht feststeht, sind
mir bei vielen Sachen die Hände gebunden. Ich habe Anna gesagt,
wir könnten doch hier feiern, wenn sie möchte - aber von dem Vorschlag schien sie nicht besonders angetan.«
»Was hätte sie denn gern?«
»Das weiß sie selbst noch nicht so genau. Am liebsten möchte sie
ein Gartenfest, glaube ich. Irgendwo, wo es nicht allzu förmlich zugeht.«
»Es dürfte doch nicht allzu schwierig sein, so etwas zu finden, oder?«
»Du wirst staunen - mir ist bis jetzt nur der Tyron Palace eingefallen, aber ich glaube nicht, dass wir den so kurzfristig bekommen
können. Und ich weiß noch nicht einmal, ob sie dort Hochzeiten ausrichten.«
»Hmmm…« Ich würzte das Fleisch mit Salz, Pfeffer und Knoblauchpulver.
»Die Orton Plantation ist auch ganz hübsch - erinnerst du dich?
Dort waren wir letztes Jahr bei der Bratton-Hochzeit.«
Ich erinnerte mich sehr gut, aber das Lokal befand sich zwischen
Wilmington und Southport, fast zwei Stunden von New Bern entfernt. »Das liegt etwas abseits, meinst du nicht? Die meisten Gäste
kommen von hier, nehme ich an - da wäre es unpraktisch, oder?«
»Finde ich auch. War nur so eine Idee. Bestimmt ist sie sowieso
ausgebucht.«
»Wie wär’s denn mit einem Lokal in der Innenstadt? Da gibt es
doch einige sehr hübsche Pensionen, die im Erdgeschoss ein Lokal
mit Garten haben.«
Jane schüttelte den Kopf. »Die meisten sind zu klein, fürchte ich.
Ich weiß auch gar nicht, welche einen Garten haben. Aber vielleicht
hast du Recht - ich sollte sie mir mal ansehen. Und wenn gar nichts
klappt - ach, Unsinn, wir werden schon etwas finden. Man darf die
Hoffnung nicht aufgeben!«
Sie legte nachdenklich die Stirn in Falten. An die Anrichte gelehnt,
den bestrumpften Fuß an der Küchenschranktür hinter ihr abgestützt,
sah sie wieder aus wie die junge Frau, die mich damals gebeten hatte,
sie zu ihrem Auto zu begleiten. Als ich sie das zweite Mal begleitete,
erwartete ich, dass sie, wie bei unserem ersten Spaziergang im Regen, gleich einsteigen und wegfahren würde. Stattdessen lehnte sie
sich an die Fahrertür und stützte den Fuß hinter sich ab, genau wie
jetzt, und wir unterhielten uns zum ersten Mal richtig. Ich sehe sie
noch vor mir: ihre lebendige Mimik, als sie mir von ihrer Kindheit in
New Bern erzählte, ihre blitzenden Augen… Und intuitiv nahm ich
schon all die Eigenschaften wahr, die ich von da an immer an ihr
lieben sollte: ihre Intelligenz, ihre Leidenschaft, ihren Charme, die
unbefangene Art, wie sie die Welt sah. Jahre später setzte sie diese
Charakterzüge bei der Erziehung unserer Kinder ein, und das ist einer der Gründe, warum unsere drei zu solch
Weitere Kostenlose Bücher