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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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machen, sich aneinander zu kuscheln und sich neu ineinander zu verlieben. Wenn Allie ein Gedicht hören wollte, konnte
Noah aus dem Gedächtnis viele, viele Strophen rezitieren. Da Noah
das Vorbild war, wollte ich seinem Beispiel folgen und hatte mir
vorgenommen, Jane am Strand von Ocracoke, wo ihre Familie im
Juli auf Urlaub war, einen ungewöhnlichen Antrag zu machen.
Ich fand meinen Plan einfach genial. Ich wollte den Verlobungsring, den ich sorgfältig ausgewählt hatte, in einer Muschel verstecken, die ich im Jahr zuvor gefunden hatte. Diese Muschel sollte
Jane »zufällig« finden, wenn wir, wie so oft, den Strand nach Sanddollars absuchten, diesen kleinen, flachschaligen Seeigeln, die sich in
den Sand eingraben und dadurch fast nicht sichtbar sind. Sobald Jane
die Muschel gefunden hatte, wollte ich vor ihr auf die Knie fallen
und ihr sagen, dass sie mich zum glücklichsten Mann auf der ganzen
Welt machte, wenn sie sich bereit erklären würde, meine Frau zu
werden.
Bedauerlicherweise lief nicht alles wie geplant. Am Wochenende
kam ein schweres Unwetter, es regnete heftig, und ein Sturm fegte
durch die Bäume, dass sie aussahen, als würden sie horizontal wachsen. Den ganzen Samstag über wartete ich darauf, dass das Unwetter
nachließ, doch die Natur hatte sich offenbar gegen mich verschworen. Erst am Sonntag um die Mittagszeit klarte der Himmel wieder
auf.
Ich war viel aufgeregter als erwartet. Im Kopf übte ich immer wieder ein, was ich sagen wollte. Diese Art der mentalen Vorbereitung
hatte mir beim Jurastudium immer fantastische Dienste geleistet,
aber vor lauter Konzentration vergaß ich, mich auf dem Weg den
Strand entlang mit Jane zu unterhalten. Ich weiß nicht, wie lange wir
stumm nebeneinander her gingen - jedenfalls zuckte ich richtig zusammen, als Jane endlich etwas sagte.
»Die Flut kommt heute ziemlich schnell, findest du nicht?«
Ich hatte nicht gewusst, dass die Flut von dem Unwetter noch beeinflusst wurde, selbst nachdem es schon weitergezogen war. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass die Muschel an einer ungefährdeten Stelle lag, wollte ich lieber kein Risiko eingehen. Besorgt
beschleunigte ich meinen Schritt, war aber gleichzeitig darauf bedacht, bei Jane keinen Verdacht zu wecken.
»Warum läufst du so schnell?«, fragte sie.
»Findest du, ich laufe schnell?«
Diese Antwort schien sie nicht zu überzeugen, und nach einer Weile ging sie einfach langsamer. Ich war ihr immer ein paar Meter voraus - bis ich die Muschel entdeckte. Das Wasser war noch weit genug weg. Viel Spielraum blieb nicht mehr, aber ich konnte mich ein
wenig entspannen.
Ich drehte mich um, weil ich etwas zu Jane sagen wollte. Sie war,
was ich gar nicht gemerkt hatte, ein ganzes Stück weiter hinten stehen geblieben. In gebückter Haltung suchte sie irgendetwas im Sand.
Ich wusste genau, was sie machte. Sie fahndete nach möglichst winzigen Sanddollars. Am besten gefielen ihr die hauchdünnen, durchsichtigen, die nicht größer waren als ein Fingernagel, und die nahm
sie dann mit nach Hause.
»Komm schnell!«, rief sie, ohne hochzublicken. »Hier sind ganz
viele!«
Die Muschel mit dem Ring befand sich etwa zehn Meter vor mir,
Jane zehn Meter hinter mir. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil
wir ja die ganze Zeit, seit wir am Strand waren, kaum drei Worte
miteinander gewechselt hatten. Also entschied ich mich für Jane. Sie
zeigte mir einen Minisanddollar, den sie wie eine Kontaktlinse auf
der Fingerkuppe balancierte.
»Sieh doch nur!«
Es war der kleinste Sanddollar, den wir je gefunden hatten. Sie überreichte ihn mir und begann dann wieder im Sand zu wühlen.
Ich beteiligte mich an der Suche, weil ich hoffte, sie dadurch unauffällig in Richtung Muschel dirigieren zu können. Aber Jane blieb
unbeirrt an derselben Stelle hocken und rührte sich nicht vom Fleck,
gleichgültig, wie weit ich mich von ihr entfernte. Alle paar Sekunden
schaute ich zu meiner Muschel, um mich zu überzeugen, dass sie
noch nicht weggeschwemmt wurde.
Aber die Flut stieg und stieg, und allmählich wurde mir doch mulmig. Jane hatte zwei Sanddollars gefunden, die sogar noch kleiner
waren als der erste, und schien nicht die geringste Absicht zu haben,
sich in Bewegung zu setzen. Schließlich wusste ich mir nicht mehr
zu helfen. Ich tat so, als hätte ich gerade diese wunderschöne Muschel entdeckt.
»Ist das da hinten nicht eine Muschel?«
Jane blickte hoch.
»Willst du sie holen? Sie sieht sehr hübsch aus«, sagte sie

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