Ein Tag wie ein Leben
Oder: »Ich
muss nachher leider noch ziemlich viel arbeiten, deshalb würde ich
mich lieber hier ein bisschen mit dir entspannen.«
Ich habe keine Ahnung, ob sie meine Ausreden für bare Münze
nahm - im Rückblick vermute ich fast, dass sie Verdacht geschöpft
hat -, jedenfalls beharrte sie nie darauf, mit mir das Haus zu besichtigen. An unserem Hochzeitstag gingen wir abends essen, und anschließend fuhr ich zu unserem Haus und nicht zu unserer Wohnung.
Es war schon recht spät. Wir hatten Vollmond - in der klaren Nacht
sah er aus wie eine geheimnisvoll leuchtende Scheibe, auf der sich
schattenhaft Gebirge und Krater abzeichneten. Die Zikaden hatten
bereits ihre Gesänge angestimmt, ihr Zirpen erfüllte die Luft. Von
außen schien das Haus fast unverändert. Im Garten lagen Berge mit
Bauschutt, Farbkanister stapelten sich neben der Tür, die vordere
Veranda wirkte staubig und grau. Jane schaute mich fragend an.
»Ich möchte nur kurz nachsehen, wie weit die Handwerker gekommen sind«, erklärte ich.
»Jetzt gleich?«
»Wieso nicht?«
»Na ja, also - erstens bis zehntens - es ist dunkel. Man kann doch
gar nichts sehen.«
»Ach, komm doch mit«, sagte ich und tastete nach der Taschenlampe, die ich unter meinem Autositz verstaut hatte. »Wir brauchen
ja nicht lange zu bleiben, wenn du keine Lust hast.«
Ich stieg aus und hielt ihr die Wagentür auf. Nachdem ich sie galant
über den Schotter hinauf zur Veranda geleitet hatte, schloss ich den
Eingang auf.
Es war zwar stockdunkel, aber der Geruch des neuen Teppichbodens drang einem sofort in die Nase, und als ich gleich darauf meine
Taschenlampe anknipste und den Lichtstrahl durch das Wohnzimmer
und die Küche wandern ließ, wurden Janes Augen immer größer.
Natürlich war noch nicht alles perfekt, aber schon von der Tür aus
konnte man sehen, dass einem Einzug nichts mehr im Weg stand.
Jane blieb wie angewurzelt stehen. Ich nahm ihre Hand und flüsterte:
»Willkommen zu Hause.«
»Oh, Wilson!«
»Alles Gute zum Hochzeitstag.«
Sie schaute mich an - glücklich und verwirrt zugleich.
»Aber - wie kann - ich meine, letzte Woche wurde doch erst - da
war noch kein Ende absehbar…«
»Ich wollte dich überraschen. Komm mit - ich muss dir etwas zeigen.«
Ich führte sie die Treppe hinauf zum Elternschlafzimmer. Mit meiner Taschenlampe beleuchtete ich das einzige Möbelstück, das ich je
ohne ihren Rat gekauft habe: ein altes Himmelbett. Es erinnerte an
das Bett in dem Gasthaus in Beaufort, wo wir auf der Hochzeitsreise
miteinander geschlafen hatten.
Jane schwieg. Ich geriet fast schon in Panik. Hatte ich etwas falsch
gemacht?
»Ich kann’s nicht fassen«, murmelte sie schließlich. »War das deine
Idee?«
»Gefällt es dir nicht?«
Sie lächelte. »Ganz im Gegenteil… ich finde es wunderschön.« Ihre
Stimme klang so weich, beinahe zärtlich. »Aber ich kann nicht fassen, dass du dir so etwas ausgedacht hast. Es ist beinahe… romantisch.«
Ehrlich gesagt - so hatte ich selbst es noch gar nicht gesehen. Wir
brauchten dringend ein gutes Bett, und ich wusste, dass Jane diesen
Stil mochte. Weil mir klar war, dass bei ihr das Wort »romantisch«
das höchste Kompliment bedeutete, zog ich lässig die rechte Augenbraue hoch, als wollte ich fragen: Was hast du anderes erwartet?
Sie ging zum Bett, strich vorsichtig über die Pfosten, setzte sich
dann auf die Kante und tätschelte einladend auf die Matratze. »Wir
müssen reden«, sagte sie.
Mir fielen natürlich sofort die anderen Anlässe ein, bei denen sie
diese Formulierung verwendet hatte. Bestimmt wollte sie mich wieder um einen Gefallen bitten. Als ich neben ihr Platz genommen hatte, küsste sie mich zärtlich.
»Ich habe auch eine Überraschung für dich«, begann sie. »Ich habe
nur auf den richtigen Augenblick gewartet, um es dir zu sagen.«
»Und?«
Sie schloss kurz die Augen, als müsse sie sich konzentrieren, ehe
sie lächelnd verkündete: »Ich bin schwanger.«
Ich schaute sie fassungslos an. Dann erst begriff ich, was sie gerade
gesagt hatte. Sie hatte mir eine noch viel schönere Überraschung
bereitet als ich ihr.
Am frühen Abend, als die Sonne sank und die Hitze langsam etwas
nachließ, rief Jane an. Als Allererstes erkundigte sie sich nach Noah.
Dann erzählte sie, dass sich Anna immer noch nicht für ein Kleid
entschieden habe und sie deshalb nicht nach Hause kommen werde.
Ich versicherte ihr, damit hätte ich schon gerechnet. Ihre Stimme
klang etwas frustriert - nicht
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