Ein Tag, zwei Leben (German Edition)
Korridor ab.
» Wohin gehst du?«
» Zum Sportplatz«, sagte ich unbestimmt.
» Auf keinen Fall. Das kannst du nicht machen! Ich brauche dich. Wenn diese Sitzordnung nicht nach dem Mittagessen steht und ich die Servicebestellung bis heute Abend nicht fertig habe, dann kann ich nicht ins Mixons kommen.« Sie schmollte. » Du musst mir helfen, Sabine! Noah wird auch da sein! Und ich habe gehört, dass er noch niemanden zum Abschluss-Dinner eingeladen hat.« Sie warf mir einen leidenden Blick zu.
Ich lächelte und seufzte. Obwohl ich unbedingt woanders sein musste, gab es unter Mädchen einen Verhaltenskodex, wenn es um solche Dinge ging, und Lucy verdiente es, am Arm des heißen Typen zum Abschlussabend zu kommen, der sie die letzten zwei Jahre zum Sabbern gebracht hatte. Das Mixons war bei den älteren Schülern sehr beliebt und bot die perfekte Gelegenheit für so etwas.
» Unter einer Bedingung«, sagte ich in der Hoffnung, genug Zeit zu haben, meine letzten Antworten zu finden, mein Auto abzuholen und dann noch ins Mixons zu gehen.
» Alles, was du willst!«, flötete sie.
» Wenn ich dir dabei helfe, alles geregelt zu kriegen, und dafür sorge, dass Noah heute Abend da ist, musst du mir versprechen, dass du ihn fragst, ob er mit dir zum Abschluss-Dinner geht.«
» Aber …«
Mit einer Handbewegung schnitt ich ihr das Wort ab. » Das sind meine Bedingungen – akzeptiere sie oder akzeptiere sie nicht.«
Sie blickte über den Flur zu der Stelle, an der Noah an seinem Spind lehnte, mit Dex und Brett herumalberte und lecker aussah. Sie würden echt ein hübsches Paar abgeben, und ich hatte ihn schon dabei ertappt, wie er ein Auge auf sie geworfen hatte, als er sich unbeobachtet wähnte. Sie holte tief Luft und verzog das Gesicht.
» Okay, okay!«
Ich lächelte triumphierend. » Also gut. Dann mal an die Arbeit.«
Es dauerte die ganze Mittagspause plus unsere Studierzeit. Als wir schließlich aus dem Aufenthaltsraum der Oberstufe kamen, war Lucy regelrecht in einem Freudentaumel, weil sie wusste, dass sie die übrigen Aufgaben an die anderen Komiteemitglieder delegieren konnte.
» Jetzt bleibt nur noch die Gestaltung des Saales. Du hast wohl nicht zufällig Lust, mir dabei zu helfen?«, fragte sie mich verlegen.
Zu ihrer Überraschung nickte ich. Ich hoffte, dass ich bis dahin meinem Ziel, mein Leben zu ordnen, bedeutend näher gekommen sein würde. Und vielleicht waren solche Beschäftigungen genau das, was ich in dieser Welt brauchte.
» Kein Problem«, sagte ich. » Ich bin eine hervorragende Oberaufseherin.«
Lucy schlug mir spielerisch auf den Arm. » Es sei denn, du bist tagsüber zu sehr mit deinem Brazilian Waxing beschäftigt …« Scherzhaft stieß sie mich mit dem Ellbogen an. » Dann könnte ich eine Ausnahme machen.«
» Du bist so was von witzig«, scherzte ich, wobei ich den Knoten ignorierte, zu dem sich mein Magen zusammenzog.
» Ach, komm schon, Sabine. Seit wann machst du so ein Geheimnis um die große Nacht? Ich dachte, du hättest die ganze Sache schon komplett geplant. Es überrascht mich, dass du kein Drehbuch dafür ausgearbeitet hast.«
Ich schenkte ihr ein spöttisches Lächeln. » Nun, Lucy, ich brauche kein Drehbuch. Es wird nicht viel gesprochen werden.«
Sie bekam einen Kicheranfall. Doch als sie sich wieder beruhigt hatte, brachten mich ihre nächsten Worte ganz aus dem Konzept.
» Du bist aber schon glücklich, oder?«
» Ich … äh … warum fragst du?«, stotterte ich.
» Du wirkst in letzter Zeit so geistesabwesend. Ich habe neulich darüber nachgedacht und verstehe voll und ganz, warum du so lange gewartet hast mit … du weißt schon. Es ist eine große Sache. Aber ihr zwei seid schon seit Jahren zusammen. Ich habe mich einfach gefragt, ob es nicht irgendwelche anderen Gründe gibt, weshalb ihr noch nicht …«
Ich blieb stehen, überrascht von der Hellsichtigkeit von Lucys Bemerkungen. Es stimmte. Ich hatte Dex lange warten lassen. Ich hatte immer wieder, so gut es ging, Entschuldigungen vorgebracht, all die richtigen Gründe angegeben, mich hinter Schicklichkeit, Selbstachtung, Alter, Timing bla, bla, bla versteckt. Aber seit einer ganzen Weile ging es überhaupt nicht mehr um diese Dinge. In vielerlei Weise hatte ich gehofft, das fehlende Glied in unserer ansonsten perfekten Beziehung zu finden.
» Nun, ich … ähm.« Ich seufzte. » Luce, ich …«
Ich war kurz davor, mit all meinen Bedenken herauszuplatzen, doch dann erstarrte ich. Das hier war mein
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