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Ein Tag, zwei Leben

Ein Tag, zwei Leben

Titel: Ein Tag, zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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fügte nicht hinzu, dass ich fast so alt wie er war, wenn man mein anderes Leben mit dazuzählte.
    » Du bist eine Bedrohung für dich selbst«, sagte mein Vater; aus seinen Worten sprach eine Mischung aus Scham und Enttäuschung. » Der Staat hat die Kontrolle über deine Gesundheit übernommen, bis es dir wieder gut geht.«
    All die Telefonanrufe.
    Verzweifelt sprang ich aufs Bett, in der Hoffnung, mich an meinem Vater und Dr. Meadows vorbeidrängen zu können, wenn ich erst mal auf der anderen Seite wäre. Aber der Pfleger hatte das schon erwartet. Als ich zum Sprung ansetzte, schleuderte er mich aufs Bett und drückte mich nach unten, als ich mich wehrte.
    Dr. Meadows kam jetzt weiter ins Zimmer. » Sabine. Wir sind hier, um zu helfen. Bitte, lass uns dir helfen«, sagte er.
    Die Frau flitzte am Bett vorbei und packte meine Arme. Doch während sie noch mit meinem Gips rang, stieß ich mich an der Matratze ab, drückte meinen Körper nach oben und trat dem Typen ins Gesicht.
    Er stolperte nach hinten, und der Griff der Frau lockerte sich, als sie ihre Aufmerksamkeit ihm zuwandte. Das nutzte ich aus – ich riss mich von ihr los und stieß sie ein paar Schritte zurück. Dann sprang ich vom Bett, vorbei an Dr. Meadows, der nicht versuchte, mich aufzuhalten, und direkt auf meinen Vater zu, der mich sofort am Oberarm packte; seine rechte Hand griff an der Stelle, von der er wusste, dass dort der Schnitt war, hart zu. Ich konnte den Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Er ignorierte ihn und umklammerte mich, wobei er mir die Arme an die Seiten presste.
    Das tat auf so viele verschiedene Arten weh. Ich sackte in seinen Armen zusammen.
    Der Pflegertyp rappelte sich wieder auf, Blut rann ihm über das Gesicht. Ich hatte mit meinem Fuß seine Nase getroffen. Auch die Frau hatte sich wieder aufgerichtet. Sie bemühte sich jetzt nicht mehr um einen » Lass-uns-Freunde-sein«-Blick, sondern hatte inzwischen eine gewaltige Spritze in der Hand und war zu einem Blick übergegangen, der sagte: Ich werde es genießen.
    » Ich hatte sie doch noch davor gewarnt, dass sie gewalttätig werden könnte«, sagte mein Vater und ignorierte meine Versuche, mich seinem Griff zu entwinden.
    » Ja«, sagte die Krankenschwester ausdruckslos. » Ich schlage vor, wir stellen sie jetzt ruhig.«
    » Aber Dr. Levi wollte sie sofort sehen«, widersprach mein Vater.
    Der Pfleger benutzte den Ärmel seines weißen Kittels, um sich das Blut vom Gesicht zu wischen, und starrte Dr. Meadows an, der den Hinweis verstand und sich an meinen Vater wandte. » Ich denke, es ist das Beste für alle Beteiligten, wenn wir sie sicher in die Klinik schaffen. Das Beruhigungsmittel wirkt sehr schnell, aber es wirkt nicht besonders lang.« Er wartete auf die Zustimmung meines Vaters.
    » Mom!«, schrie ich.
    » Stellen Sie sie ruhig«, sagte mein Vater rasch.
    » Mom!«, schrie ich wieder.
    Sie trat in den Flur, blieb aber am anderen Ende stehen und lehnte sich an die Wand, als bräuchte sie eine Stütze. Sie weinte und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
    » Warum hast du uns nicht gesagt, dass du so unglücklich bist?«, sagte sie mit gebrochener Stimme. » Wie lange geht das schon, Sabine? Wie lange hast du diese Gedanken schon?«
    » Mom, ich schwör dir, ich bin nicht verrückt. Mach, dass sie damit aufhören. Ich werde es erklären. Ich werde … ich kann es dir beweisen!«
    » Beeilen Sie sich«, drängte mein Vater. Ich verdrehte den Kopf und warf ihm einen hasserfüllten Blick zu. Der Pfleger rückte an und half ihm, mich festzuhalten. Ich hatte es länger als jeder normale Mensch ausgehalten, ein Kind zu sein – hatte die Regeln, den Hausarrest, die Vorschriften über mich ergehen lassen – aber das hier … das hier war extrem demoralisierend.
    » Ihr müsst mir zuhören! Gott, jetzt hört doch ein einziges Mal auf, an euch selbst zu denken, und hört mir zu!«
    Ich hörte, wie Mom am anderen Ende des Flurs nach Luft schnappte, aber sie sagte nichts und rührte sich nicht, um mir zu helfen.
    Ich schüttelte den Kopf. Es war hoffnungslos. » Ich hätte es euch nie erzählen sollen«, sagte ich mit brüchiger Stimme.
    Ich riss ein letztes Mal an meinem Vater, versuchte eher, ihm wehzutun, als mich zu befreien, und dann funkelte ich meine Mutter an.
    » Ich hätte es einfach tun sollen!«
    Niemandem entging die Bedeutung. Es überraschte mich sogar selbst.
    » Würden Sie jetzt bitte weitermachen!«, blaffte mein Vater die Frau an. Zu mir sagte er nur: »

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