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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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Er scheint wild entschlossen, ihr bei ihrer Gesundung zu helfen, sie nicht aus Mitleid zu heiraten, sondern weil er sie vor der Welt beschützen und ihr helfen will, wieder sie selbst zu werden. Sie beobachtet ihn und denkt, dass er ein guter Ehemann sein könnte. Wie schön ihre gemeinsamen Kinder wären. Ein Baby würde vielleicht den leeren Platz in ihrem Herzen füllen – jemand, der durch Blut an sie gebunden ist, wie Mahtab, wie ihre Mutter. Wenn sie eine neue Rolle annähme, eine Tochter bekäme und sie Mahtab nennen würde, müsste sie vielleicht nie wieder über jenen Tag am Flughafen nachdenken oder nachts hochschrecken, weil sie meint zu ertrinken. Reza hat seine
setar
mitgebracht. Er lehnt sich an die Wand, zupft die Saiten und summt »Mara Bebus«, die unvergessliche Melodie eines Abschieds, und in seiner Stimme schwingt ein Hauch von Traurigkeit, den Saba lieb gewonnen hat. Sie liegt zwischen seinen Beinen, den Kopf an seiner Brust, und starrt durch das kleine Fenster hinaus in die dunkle Nacht.
    Ja
, denkt sie, der Kummer der Vergangenheit scheint klein im Vergleich zum Glück dieses Augenblicks.
Das hier ist das Schönste.
Es ist ein seltsames und willkommenes Gefühl, wieder Teil eines Paares zu sein. Zwei Menschen, die nur zueinander gehören. Keine weiteren Liebhaber oder andere Bindungen. Von diesem Tag an wird sie jeden Morgen in dem Bewusstsein erwachen, dass sie geborgen ist, sicher, und von dem Menschen geliebt wird, den sie am meisten gewollt hat, seit sie sieben Jahre alt war. Kann Amerika ihr das geben? Als sie seinen Antrag annimmt, strahlt Reza. Er küsst sie und zieht sie noch näher an sich. Sie sind schon fast eingeschlafen, als er flüstert: »Du solltest möglichst bald zum Arzt gehen.«
    * * *
    In der Vorratskammer erzählen sie Ponneh von ihren Heiratsplänen. Sie küsst sie beide und wünscht ihnen ein glückliches Leben. Später teilt Saba ihrem Vater beim Tee in der Küche die Neuigkeit mit. Er blickt sie finster an. »Saba-dschan. Du hast es fast geschafft. Noch ein bisschen Geduld, dann besitzt du ein eigenes, unangefochtenes Vermögen. Versteh doch, ich sage ja nicht, dass du dich von deinen Freunden abwenden solltest … du bist eine liebenswerte Frau. Und die Unterschiede zwischen unseren Familien sind mir längst egal. Es sind gute, hart arbeitende Menschen. Aber du hast viel Schweres erlebt. Endlich fängst du an, glücklich zu sein, und da willst du dich wieder in einen Käfig sperren lassen?«
    »Baba!« Saba blickt ihn aus großen Augen an. Es rührt sie, dass er ihre kleinen alltäglichen Lasten bemerkt hat, ihre Einsamkeit, Verwirrung und Langeweile. »Reza ist der
Grund
, warum ich glücklich bin.«
    »Aber willst du wirklich einen armen Dorfjungen heiraten?«, fragt er nüchtern. »Du wirst ihn nicht mit nach Teheran nehmen können. Die Leute werden reden. Du weißt doch, wie sie sind.«
    »Ist mir egal«, sagt Saba. »Ich fahr sowieso nie nach Teheran. Unsere Freunde dort kenne ich kaum.«
    Er will widersprechen und scheint es sich dann anders zu überlegen. »Wenn du glücklich bist, bin ich glücklich«, sagt er. »Ich bin sicher, deine Mutter und Mahtab sind auch glücklich … im Himmel.«
    Sie rückt mit ihrem Stuhl neben ihn. »Im Himmel«, wiederholt sie leise, weil sie jetzt nicht widersprechen will. Sie beide haben schon eine Weile nicht mehr von den verblassten Möglichkeiten gesprochen.
    Sie würde gern einen Witz machen, um die Stimmung aufzulockern, entscheidet sich aber dagegen. Ihre Scherze kommen bei ihrem Vater immer falsch an. Sie sind entweder unangemessen oder zu nah an der Wahrheit.
    Aber dann tätschelt ihr Vater ihre Hand und flüstert ihr ins Ohr: »Oder in Amerika.«
    Sie stößt ein erschrecktes Lachen aus. »Oder in Amerika«, sagt sie, unfähig, ihre Fassungslosigkeit zu kaschieren.
    Er seufzt und berührt ihre Wange: »Ach, sich seiner Sache so sicher zu sein. Wenn man etwas wirklich
weiß
, hat man doch schon fast gewonnen, und meine Saba siegt immer.«
    Meine Saba siegt immer
. Ihr Vater war nie lieblos zu ihr. Er hat ihr nie etwas vorenthalten, aber irgendwie kommt ihr das wie ein neuer Triumph vor – wie etwas, worum sie gekämpft und wonach sie sich gesehnt hat, denn iranische Männer sind so selten beeindruckt.
Saba-dschan, das hast du gut gemacht
, hört sie ihn in ihrer Fantasie sagen. Seltsam, denkt sie, dass eine Person ihr ganzes Leben lang auf etwas warten kann, und wenn es dann kommt, ist es noch hundertmal schöner,

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