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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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Diät an?«
    Saba füllt ihren Löffel erneut, wohl wissend, dass Ponneh das freut und dass sie es ihrer Mutter erzählen wird und sie beide stolz sein werden. In Cheshmeh bestimmt die Qualität deines Essens die Qualität deiner Familie, und das hier kann nur Saba ihr geben, niemand sonst, weil der Hafezi-Stempel nun mal ihr allein gehört. Vielleicht macht sie damit ein wenig die vielen immateriellen Geschenke wett, die Ponneh ihr gemacht hat – wie zum Beispiel während des ersten großen Regens, nachdem Mahtab fortgegangen war, als Saba nicht aus dem Bett aufstehen wollte und Ponneh ihr die Augen verband und sie dazu brachte, in die Vorratskammer zu gehen, wo eine Überraschung auf sie wartete. Nach einigen Momenten im Dunkeln spürte Saba den feuchten Atem von jemandem auf dem Gesicht und hörte eine vertraute Stimme flüstern: »Ich will aber nicht«, gefolgt von einem Schmerzensschrei. Saba riss sich die Augenbinde runter und sah, wie Ponneh Reza am Ohr zog und ihn ausschimpfte, bis er weglief. »Tut mir leid«, sagte sie aufgebracht. »Ich wollte dir deinen ersten Kuss verschaffen, damit du wieder glücklich sein kannst.«
    Jetzt nehmen Ponnehs Augen einen traurigen Ausdruck an, und sie sagt: »Du willst, dass ich Diät mache, damit ich spindeldürr werde. Und dann angelst du dir Reza und schließt mich aus … wie in dieser ›Scheideweg‹-Geschichte, wo immer ein Mädchen auf der Strecke bleibt.«
    Saba starrt Ponneh an und versucht zu verstehen, welches Spiel sie jetzt spielen. Sie sucht stotternd nach einer Antwort. »Das ist was ganz anderes! Du kannst nicht in zwei Leute gleichzeitig verliebt sein.«
    Ponneh zuckt die Achseln. »Wer sagt das? Es gefällt dir nur nicht, weil du dir so eine große Liebesgeschichte wie in deinen westlichen Illustrierten wünschst, die es im richtigen Leben gar nicht gibt. Und du streitest dich gern. Du und Mahtab, ihr habt dauernd um irgendwas konkurriert. Und jetzt willst du mit mir konkurrieren.«
    Als Mahtabs Name fällt, flammt eine Hitze in Sabas Brust auf, die sie am liebsten mit den Fingern wegreiben würde. Wie kann Ponneh es wagen, so etwas zu sagen? Für wen hält sie sich, dass sie Mahtabs Fehler zur Sprache bringt? »Wir waren keine Konkurrentinnen«, faucht Saba. »Ich glaub einfach nicht, dass man so leben kann, wie du meinst.«
    »Vielleicht doch«, sagt Ponneh. »Und Reza gibt mir recht. Sein Baba ist weggegangen, um mit seiner neuen Familie zu leben, dabei hätte er sie mit hierherbringen können. Sie hätten alle zusammenhalten können. Es ist besser, ein Leben lang Freunde zu haben, als einen blöden Liebeswettkampf zu gewinnen.«
    »Es ist kein Wettkampf …« Saba will, dass ihre Freundin sie versteht, doch Ponneh war schon immer eine von vielen, niemals Teil eines Paars.
    Ponneh unterbricht sie. »Ich sage, drei ist immer besser als zwei. Letzten Endes sind deine Freunde diejenigen, die dir helfen. Schau dir Khanom Omidi und Khanom Basir und all die anderen Frauen an. Die tun füreinander mehr als für ihre Männer.«
    »So reden Bauern«, sagt Saba. »In der Bibel und sonst wo steht was anderes.«
    Ponneh blickt nachdenklich. »Mag sein … Aber ich glaube, wir werden immer zu dritt sein. Du, ich und Reza. Selbst wenn wir andere Leute heiraten oder wenn du nach Amerika gehst.«
    »Okay«, murmelt Saba. Sie hat jetzt Bauchschmerzen. »Ganz wie du willst.«
    Ponneh spricht weiter. »Vielleicht können wir alle zusammen nach Amerika abhauen und uns die Haare gelb färben. Und du und ich können den ganzen Tag auf offener Straße knallroten Lippenstift tragen, wie in der
LIFE

    »Na schön.« Saba legt ihren Löffel hin und steht auf, um zu gehen. Sie ist noch immer wütend, weil Ponneh sich nicht dafür entschuldigt, dass sie schlecht über Mahtab geredet hat. Und der Rücken tut ihr weh.
    Saba stapft aus der Küche. Als sie Richtung Wohnzimmer geht, hört sie Ponnehs Aufschrei, der ihr den Flur hinunter folgt: »O Gott! Was ist denn das?«
    Khanom Mansuri rührt sich auf den Bodenkissen. »Was ist das für ein Krach?«, nuschelt sie und schmatzt ein paarmal mit den Lippen, ehe sie die Augen öffnet. Als Saba sich umdreht, steht Ponneh hinter ihr, den Mund weit aufgerissen. Khanom Mansuri kichert. »Ach, du meine Güte, ich bin zu alt für dieses Mädchen-
bazi

    Ponneh eilt auf Saba zu und sagt: »Hab keine Angst! Ich hol meine Mutter, und wir bringen dich ins Krankenhaus nach Rasht. Warte hier.«
    Saba folgt Ponnehs Blick. Sie schaut über

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