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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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verrücktes
bazi
! Die Frau war so einseitig wie die Münze eines Mullahs. Schließlich war Khanom Omidis Talent das Kochen, und wenn sie beschlossen hätte, Gehirnchirurgin zu werden, wer hätte dann den perfekten Safranreispudding gemacht, der immer genau die richtige Konsistenz hatte, voller Mandeln war und nie klumpig? Die Mädchen sahen ihr oft dabei zu, wenn sie den Pudding zubereitete, geduldig die langen feurigen Safranfäden mit einem faustgroßen Stößel im Mörser zermahlte, wenn das
Schab-Schab
von Pollen auf Stein das Aroma eines schweren Mahls und eines zarten Dufts zugleich freigab und ihre dicken, ohnehin schon gelben Finger noch tiefer orange färbte. Wie eine Zauberin hatte sie viele Utensilien, die sie mir nie auslieh. Einen Kirschentkerner. Eine blütenförmige Backform an einem langen Stab für Fensterbrot. Den kleinen Mörser mit Stößel.
    Diese Frau war die reinste Safranhexe.
    Und das ist der Grund, warum sie in so hohem Alter noch glücklich und gesund war, denn jeder weiß ja, dass Safran die Menschen zum Lachen bringt. Wenn die Sonne abends untergeht, laufen die Frauen aus den sumpfigen Reisfeldern im Norden müde nach Hause, die Hosen hochgekrempelt und die Beine nass und krank, ein buntes Dreieckstuch, das
tschadorshab
, fest um die Taille gewickelt, um den Rücken zu schützen und dies oder das zu tragen. Die Frauen, die anderswo arbeiten, in den Rosenfeldern von Qamsar oder den Teefeldern hier in Gilan, duften nach Rosen und Tee, wenn sie heimkehren, ihre Röcke voller Blätter und Blüten, die sie den ganzen Tag gepflückt haben. Und die Frauen, die in wieder anderen Teilen des Iran in den Safranfeldern arbeiten, gehen in munteren Grüppchen nach Hause, prustend vor Lachen, und so machen sie bis tief in die Nacht weiter.
    Den Hafezi-Mädchen wurde eingeredet, dass ihr Talent in ihrem Verstand lag und dass sie das zu etwas Besonderem machen würde. Sie würden die erfolgreiche und gewinnbringende Tradition der Familie fortsetzen. Diese Erwartung lag in jedem Wort, jeder Geste, jedem Versprechen.
    »Können wir an den Strand?«, fragten sie ihren Vater.
    »Meine Töchter, ich werde mit euch ans Meer fahren und euch mit Hundertdollarscheinen abtrocknen«, antwortete er dann, weil das ein Zeichen seiner Liebe und Hingabe war.
    Später, nach dem Tag, an dem ihre Pläne scheiterten und er nur noch Saba hatte, sagte er zu ihr: »Saba-dschan, du musst nicht nach Amerika. Du bist intelligent und hast einen guten Geschmack.« Und das bedeutete, dass Saba in den Augen ihres Babas auch hier glänzen würde.
    Für die Hafezis war Talent wichtiger als Ort und Umstände.
    Wissen Sie, auch ich habe eine Gabe – die beste überhaupt, die Macht über Worte, über Legenden, Wahrheit und Lüge. Für Geld flechte ich aus Binsen Körbe und Hüte und kleine Teppiche, aber für meine Freunde kann ich eine Geschichte so fein und so schön spinnen, mit solchen Höhen und Tiefen und leisen Tönen, dass Kinder und Erwachsene sich davon bannen lassen wie Schlangen in einem Korb. Sie wiegen sich mit mir hin und her, lassen sich von mir entführen. Und wenn ich dann fertig bin, warten sie gespannt, was ich sagen werde:
Nach oben ging’s, und da war … was denn? Joghurt oder Joghurt-Soda? Maast? Dugh? Wahrheit? Lüge?
Unter der
korsi
-Decke, die über einen heißen Ofen gebreitet ist, wo Füße gewärmt und Geschichten erzählt werden, bin ich die uneingeschränkte Herrscherin. Obwohl … es heißt, dass das
korsi
die Wiege aller Lügen ist.
    Ich war diejenige, die Saba als Erste erklärte, was es mit ihrem Körper auf sich hat, mit der Ehe, weil ihre Mutter das nicht getan hatte. Zugegeben, ich hab ihr nicht alles erzählt. Ich hab das Ganze mit den üblichen Schnörkeln der Geschichtenerzählerin versehen, Dschinn und Krankheiten, frühzeitiger Tod und die klitzekleine Möglichkeit einer vagen Erfüllung. Aber vor allem hab ich ihr Folgendes gesagt: Bücher töten die sexuelle Energie einer Frau, die Anziehungskraft, mit der du geboren bist. Die kann nämlich ausgelöscht werden. Und Saba und Mahtab drohte dieses Schicksal, seit sie drei Jahre alt waren und viel zu gebildet wurden, um je zu begreifen, wie sie einen Mann reizen konnten. Natürlich konnten sie Verbotenes tun, wie alle anderen auch, aber konnten sie mit den Augen locken, wie Ponneh das kann? Mädchen, die Bücher verstehen, verstehen keine Männer.
    Dieses Schicksal hat ihnen ihre Mutter aufgebürdet, mit ihren Notizbüchern und ihren Ideen und

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