Ein Todsicherer Job
sie Mundgeruch, böse Menschen und Völkermord nicht mochte, und beschloss, nichts dergleichen je zu haben, zu sein oder zu begehen, für den Fall, dass er sie mal treffen sollte, wenn sie zufällig gerade auf einer Motorhaube liegend ihre Brüste sonnte.) Er fand keine Spur von Irena Posokowanowich, der anderen Frau, die angeblich vor einigen Tagen gestorben war. Keine Anzeige, keine Krankenhausunterlagen, niemand wohnte in ihrem Haus. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst und ihr Seelenschiffchen mitgenommen. Er hatte noch ein paar Wochen Zeit, um den dritten Namen in seinem Kalender aufzutreiben, wenn er auch nicht sicher sein konnte, was auf ihn zukam. Finsternis machte sich breit.
Neben ihm sagte jemand: »Nichts ist so nichtig wie Small- talk, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat, was?«
Charlie wandte sich der Stimme zu und sah zu seiner Überraschung Vern Glover, den kleinen Totenboten, der Krautsalat und Bohnen mampfte.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Charlie unwillkürlich.
Vern tat den Dank mit seiner Plastikgabel ab. »Haben Sie den Schatten gesehen?«
Charlie nickte. Als er am Morgen zum Haus seiner Mutter gekommen war, reichte der Schatten vom Berg bereits bis in den Vorgarten, und der Ruf der Rabenvögel, die dort am Rande flatterten, dröhnte in den Ohren. »Sie haben nicht gesagt, dass es sonst keiner sehen kann. Ich hab von San Francisco aus bei meiner Schwester angerufen, weil ich wissen wollte, wie weit der Schatten schon gekommen war, aber sie wusste gar nicht, was ich meine.«
»Tut mir leid. Für die anderen ist er nicht zu sehen – zumindest nicht, soweit ich es beurteilen kann. Fünf Tage war er weg. Heute früh war er wieder da. «
»Als ich angekommen bin?«
»Ich glaube schon. Sind wir schuld daran? Doughnuts und Kaffee – und schon geht die Welt unter?«
»Ich hab zu Hause zwei Seelen verpasst«, sagte Charlie, während er einen älteren Herrn in burgunderroter Golfkleidung anlächelte, der sich im Vorübergehen mitfühlend die Hand ans Herz hielt.
»Verpasst? Haben die – wie haben Sie sie genannt? – Gully- hexen sie geholt?«
»Könnte sein«, sagte Charlie. »Und, was es auch sein mag, es scheint mir zu folgen.«
»Das tut mir leid«, sagte Vern. »Aber ich bin froh, dass wir miteinander gesprochen haben. Ich fühle mich nicht mehr so allein damit.«
»Ja«, sagte Charlie.
»Und mein Beileid wegen Ihrer Mutter«, fügte Vern eilig hinzu. »Sind Sie okay?«
»Ich habe es noch gar nicht ganz begriffen«, sagte Charlie. »Ich schätze, ich bin jetzt wohl Vollwaise.«
»Ich werde darauf achten, wer ihre Halskette bekommt«, sagte Vern. »Ich pass gut auf.«
»Danke«, sagte Charlie. »Meinen Sie, wir haben Einfluss darauf, wer als Nächstes die Seele bekommt? Mal ehrlich. Im Großen Bunten Buch steht, sie zieht weiter ›wie vorherbestimmt‹.«
»Wahrscheinlich«, sagte Vern. »Jedes Mal, wenn ich eine verkauft habe, hat das Leuchten sofort aufgehört. Das würde man ja auch erwarten, wenn es die richtige Person war, oder?«
»Ja, ich denke schon«, sagte Charlie. »Es gibt also eine gewisse Ordnung.«
»Sie sind der Experte«, sagte Vern, dann ließ er seine Gabel fallen. »Wer ist denn das? Scharfe Braut.«
»Das ist meine Schwester«, sagte Charlie. Jane kam zu ihnen herüber. Sie trug Charlies schwarzgrauen Armani-Zweireiher und die schwarzen Riemchenpumps. Ihr Wasserstoffblond war zu Wellen gegelt und quoll unter einem schwarzen Hütchen hervor, dessen Schleier bis zu ihren ferrariroten Lippen reichte. In Charlies Augen sah sie aus wie immer – eine Kreuzung aus Cyborgkiller und Kinderbuchfigur, doch wenn er den Umstand ignorierte, dass sie seine Schwester und lesbisch war, dann konnte er sich vielleicht vorstellen, dass jemand ihr Haar, ihre Lippen und ihre beeindruckende Länge »scharf« finden konnte. Besonders jemand wie Vern, der eine Kletterausrüstung samt Sauerstoffgerät gebraucht hätte, um eine Frau von Janes Größe zu erklimmen.
»Vern, ich möchte Ihnen meine unfassbar scharfe Schwester Jane vorstellen. Jane, das ist Vern. «
»Hi, Vern.« Jane nahm Verns Hand, und der Totenbote wand sich unter ihrem Griff.
»Mein Beileid«, sagte Vern.
»Danke«, sagte Jane. »Kannten Sie meine Mutter?«
»Vern kannte sie sogar sehr gut«, sagte Charlie. »Einer ihrer letzten Wünsche war es, dass Vern dir ein Doughnut spendieren soll. Stimmt es nicht, Vern?«
Vern nickte so heftig, dass Charlie schon dachte, er hörte einen
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