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Ein Todsicherer Job

Ein Todsicherer Job

Titel: Ein Todsicherer Job Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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dieselbe Frau handelte, doch als die Lage schwierig wurde, sah er die Gesichter wieder vor sich und begriff. Beim ersten Mal war sie ein Mönch gewesen, irgendein buddhistischer Mönch in goldbrauner Robe, mit kurzem Haar, als hätte man ihr vor einiger Zeit den Kopf rasiert und jetzt wuchs es wieder nach. Er erinnerte sich daran, dass ihre Augen kristallblau gewesen waren, was bei jemandem mit so dunklem Haar und so dunkler Haut sehr ungewöhnlich war. Aus diesen Augen sprach ein Lächeln, das ihn glauben ließ, eine Seele habe ihren rechten Platz gefunden, ein gutes Heim auf einer höheren Ebene. Das nächste Mal sah er sie sechs Monate später, und sie trug Jeans und Lederjacke, und ihr Haar war nicht zu bändigen. Sie hatte eine CD aus dem »Ein Teil pro Kunde«-Regal genommen, eine von Sarah McLachlan, die er im Zweifel selbst auch für sie ausgesucht hätte, und die kristallblauen Augen fielen ihm kaum auf, wenn es ihm auch so vorkam, als hätte er dieses Lächeln schon einmal gesehen. Dann, letzte Woche, kam sie wieder. Das Haar reichte ihr bis auf die Schultern, sie trug einen langen Rock mit einem weiten Leinenhemd, als wäre sie einem Mittelalterfest entflohen, was in Haight Ashbury nichts Ungewöhnliches war, im Castro-Viertel aber schon. Trotzdem dachte er sich nichts dabei, bis sie bezahlt hatte und über ihre Sonnenbrille hinwegsah, um in ihrem Portemonnaie nach Kleingeld zu suchen. Wieder diese blauen Augen, elektrisierend, doch diesmal nicht gerade lächelnd. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte keinen Beweis dafür, dass sie der Mönch und die Rockerbraut mit der Lederjacke war, aber er wusste, dass sie es war. Er musste sein ganzes Talent aufbieten, um die Lage im Griff zu behalten, und schließlich knickte er ein.
    »Sie mögen Mozart?«, fragte er sie.
    »Ist für einen Freund«, sagte sie nur.
    Nach dieser schlichten Aussage hatte er beschlossen, sie nicht direkt zu konfrontieren. Ein Seelenschiffchen sollte sich seinen rechtmäßigen Besitzer doch selbst suchen, oder? Es war nicht davon die Rede, dass man es direkt verkaufen musste. Das war jetzt eine Woche her, und seitdem waren die Stimmen, dieses Poltern in den Schatten, dieses umfassende Gefühl der Bedrohung, fast durchgängig vorhanden. Minty Fresh hatte den Großteil seines Erwachsenenlebens allein verbracht, doch nie zuvor hatte er die Einsamkeit so tief empfunden. Mehrfach war er in den letzten Wochen versucht gewesen, einen der anderen Totenboten unter dem Vorwand anzurufen, ihn warnen zu wollen, weil er was vermasselt hatte, vor allem jedoch, um mit jemandem zu sprechen, der eine Ahnung davon hatte, wie sein Leben aussah.
    Er streckte seine langen Beine über drei Sitzplätze bis auf den Gang aus, dann schloss er die Augen und lehnte seinen Kopf wieder gegen die Scheibe, spürte den Rhythmus des klappernden Zuges durch das kühle Glas an seiner rasierten Kopfhaut. Oh, nein, das ging nicht. Zu viel Sake. Er fuhr schon Karussell. Er riss den Kopf hoch und schlug die Augen auf, dann sah er durch die Türen, dass zwei Wagen weiter das Licht ausgefallen war. Er setzte sich auf und sah, wie das Licht auch im nächsten Waggon ausfiel – nein, das stimmte nicht so ganz. Dunkelheit breitete sich im Wagen aus wie schwebendes Gas, raubte den Lichtern ihre Energie.
    »Ach, du Scheiße«, sagte Minty im leeren Waggon.
    Er konnte in diesem Zug nicht mal aufrecht stehen, stand aber auf, ein wenig gebeugt, den Kopf an der Decke, dem schwebenden Dunkel zugewandt.
    Die Tür am Ende des Waggons ging auf, und jemand kam herein. Eine Frau. Nun, nicht wirklich eine Frau. Etwas, das wie der Schatten einer Frau aussah.
    »Hey, Liebster«, sagte der Schatten mit tiefer Stimme, rauchig.
    Er hatte diese Stimme schon mal gehört, oder eine ähnliche.
    Das Dunkel schwebte um die beiden Bodenlichter am anderen Ende des Waggons, so dass nur die Umrisse der Frau zu sehen waren, eine stahlgraue Spiegelung vor reinem Schwarz. Seit er Totenbote geworden war, hatte Minty keine Angst mehr gehabt, doch jetzt hatte er Angst.
    »Ich bin nicht dein Liebster«, sagte Minty mit sanfter, ruhiger Stimme wie ein Baritonsax, ohne seine Furcht durchklingen zu lassen. Jeder Augenblick ist eine Krise , dachte er.
    »Wenn du erst einmal Schwarz gekostet hast, willst du nie mehr etwas anderes«, sagte sie, tat einen Schritt in seine Richtung, wobei im ganzen Wagen nur noch ihre blauschwarze Silhouette auszumachen war.
    Er wusste, dass sich gleich hinter ihm eine Tür befand,

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