Ein Todsicherer Job
das dürfte Mr. Shelly gewesen sein. Er war in einem früheren Leben Spion oder so was ähnliches und hatte die Angewohnheit, auf seine eigenen, kleinen Missionen zu gehen. Er sollte Sie im Auge behalten und mir Meldung erstatten, damit ich wusste, was Sie vorhaben. Niemand sollte zu Schaden kommen. Er ist nie mehr nach Hause gekommen. Es tut mir wirklich leid.«
»Meldung erstatten?«, sagte Charlie. »Die können sprechen?«
»Nun, sie sprechen nicht«, sagte Audrey. »Aber einige können lesen und schreiben. Mr. Shelly konnte sogar tippen. Daran arbeite ich noch. Ich muss einen funktionierenden Kehlkopf finden. Einmal habe ich es mit so einem Ding aus einer Sprechpuppe probiert, hatte am Ende aber nur ein Frettchen im Samuraikostüm, das weinen konnte und dauernd gefragt hat, ob es in der Sandkiste spielen darf. Entnervend. Es ist erstaunlich. So lange man organische Teile nimmt, fügen sie sich zusammen und funktionieren. Muskeln und Sehnen verbinden sich selbstständig miteinander. Oft nehme ich Schinken für den Torso, weil sie dadurch viele Muskeln bekommen, was nützlich ist, und sie riechen besser, bis der Vorgang abgeschlossen ist. Sie wissen schon: rauchig. Aber manches bleibt ein Rätsel. Ihnen wächst kein Kehlkopf.«
»Sie scheinen auch keine Augen zu haben«, sagte Charlie und deutete mit seiner Teetasse auf eine Kreatur, deren Kopf ein augenloser Katzenschädel war. »Wie können sie sehen?«
»Fragen Sie mich mal.« Audrey zuckte mit den Schultern. »Das stand nicht im Buch.«
»Mann, das Gefühl kenn ich...«, sagte Minty Fresh.
»Also habe ich es mit einem Kehlkopf versucht, der aus Schulp und Katgut ist. Mal sehen, ob der kleine Kerl, dem ich ihn eingebaut habe, auch sprechen lernt.«
»Wieso geben Sie die Seelen nicht wieder in menschliche Körper zurück?«, fragte Minty. »Ich meine, das könnten Sie doch, oder?«
»Wahrscheinlich schon«, sagte Audrey. »Aber ehrlich gesagt, hatte ich zufällig keine Leichen im Haus. Allerdings muss man ihnen was Menschliches einbauen. Das habe ich bei meinen Experimenten festgestellt. Ein Fingerknochen, Blut, irgendwas. Ich habe von einer Wirbelsäule aus einem Trödelladen in Haight Ashbury profitiert und jeweils einen Wirbel eingebaut.«
»Dann sind Sie also ein wahrer Frankenstein«, sagte Charlie und fügte eilig hinzu: »Das meine ich natürlich nur nett.«
»Danke, Mister Totenbote .« Audrey erwiderte sein Lächeln, trat an den nächstbesten Schreibtisch und nahm eine Schere. »Sieht so aus, als sollte ich Sie losschneiden und mir ein paar Anekdoten aus Ihrer Branche erzählen lassen. Mister Greenstreet, würden Sie uns wohl noch etwas Tee und Kaffee bringen?«
Eine Kreatur, die einen Biberschädel als Kopf hatte, einen Fez und eine rote Smokingjacke trug, verneigte sich und trippelte an Charlie vorbei in die Küche.
»Schicke Jacke«, sagte Charlie.
Das Biberkerlchen hob im Vorübergehen beide Daumen. Echsendaumen.
Der Kaiser campierte zwischen den Büschen an einem offenen Abwasserkanal, der in den Lobos Creek im Presidio führte, jener Landspitze auf der San-Francisco-Seite der Golden Gate Bridge, die schon zu Zeiten der Spanier eine Festung gewesen und erst kürzlich in einen Park umgewandelt worden war. Seit Tagen wanderte der Kaiser durch die Stadt, rief in Gullys hinein und folgte dem Bellen seines vermissten Soldaten. Der treue Retriever Lazarus hatte ihn hierher geführt, zu einem der wenigen Abflussrohre der Stadt, durch welches sich der vermisste Terrier möglicherweise befreien konnte, ohne in die Bay gepumpt zu werden. Sie kampierten unter einem tarnfarbenen Poncho und warteten. Glücklicherweise hatte es nicht geregnet, seit Bummer das Eichhörnchen in den Gully gejagt hatte, doch seit zwei Tagen brauten sich dunkle Wolken zusammen, und – ob sie nun Regen bringen mochten oder nicht – der Kaiser fürchtete um seine Stadt.
»Ach, Lazarus«, sagte der Kaiser und kraulte seinem Schützling die Ohren. »Wären wir nur halb so mutig wie unser kleiner Kamerad, würden wir in dieses Rohr da klettern und ihn suchen. Doch was sind wir ohne ihn, wo ist unser Mut, unsere Tapferkeit? Zuverlässig und rechtschaffen mögen wir sein, mein Freund, doch ohne die Courage, unser Leben für den Bruder einzusetzen, sind wir nur Politiker. Plappernde Huren der Rhetorik.«
Lazarus knurrte leise und duckte sich unter den Poncho. Die Sonne war gerade untergegangen, doch der Kaiser bemerkte, dass sich im Abwasserkanal etwas
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