Ein Todsicherer Job
die Speisekammer. »Wahrscheinlich hat sie die Seelen gerettet, vielleicht sogar uns.«
»Nie im Leben, Mann. Das Ganze wäre überhaupt nicht passiert, wenn sie nicht wäre.«
»Nein, es sollte so sein. Ich habe es in dem anderen Großen Buch gesehen, in Arizona.«
»Ich wollte nur helfen«, sagte Audrey.
Charlie starrte die CDs in Mintys Hand an. Er wirkte wie in Trance, griff danach, als bewegte er sich durch Sirup, dann legte er alle weg, bis auf eine, die er anstarrte. Dann drehte er sie um und betrachtete die Rückseite. Hart sank er auf den Boden der Kammer, und Audrey konnte gerade noch verhindern, dass er mit dem Hinterkopf gegen das Regal stieß.
»Charlie«, sagte sie, »alles okay?«
Minty Fresh ging neben Charlie in die Hocke und sah sich die CD an – griff danach, doch Charlie drückte sie an sich. Minty sah Audrey an. »Es ist seine Frau«, sagte er.
Audrey konnte sehen, dass der Name Rachel Asher in die Rückseite der CD-Hülle geritzt war, und es brach ihr fast das Herz, als sie den armen Charlie so sah. Sie nahm ihn in die Arme. »Es tut mir so leid, Charlie. Es tut mir so leid.«
Tränen tropften auf die Hülle der CD, und Charlie wollte nicht aufblicken.
Minty Fresh kam hoch und räusperte sich, ohne Zorn und ohne Vorwurf. Fast schien er sich zu schämen. »Audrey, ich bin seit Tagen in der Stadt unterwegs und würde mich gern ein bisschen hinlegen, wenn das möglich wäre.«
Sie nickte, drückte ihr Gesicht an Charlies Rücken. »Fragen Sie Esther. Die zeigt Ihnen, wo.«
Minty Fresh duckte sich und ging hinaus.
Audrey hielt Charlie fest und wiegte ihn lange hin und her, und obwohl er sich in der Welt dieser CD verloren hatte, in der die Liebe seines Lebens steckte, und Audrey außen vor war, am Boden einer Speisekammer, die vor kosmischem Nippes rot leuchtete, weinte sie mit ihm.
Als eine Stunde vergangen war (oder vielleicht auch drei, denn so ist das mit der Zeit, wenn es um Trauer oder Liebe geht), wandte sich Charlie zu ihr um und sagte: »Habe ich eine Seele?«
»Was?«, sagte sie.
»Du hast gesagt, du kannst die Seelen der Menschen leuchten sehen. Habe ich eine Seele?«
»Ja, Charlie, du hast eine Seele.«
Er nickte, wandte sich wieder ab, lehnte sich aber an sie. »Willst du sie haben?«, fragte er.
»Nein, schon gut«, sagte sie. Es war aber nicht gut.
Sie nahm ihm die CD aus der Hand, musste ihm richtig die Finger aufbiegen, und legte sie zu den anderen. »Lassen wir Rachel ruhen. Gehen wir nach nebenan.«
»Okay«, sagte Charlie. Er ließ sich von ihr auf die Beine helfen.
Oben saßen sie in einem kleinen Zimmer, vollgestopft mit Kissen und Bildern von Buddha, der zwischen Lotosblüten lag, und unterhielten sich bei Kerzenschein. Sie hatten sich ihre Geschichten anvertraut, wie es kam, dass sie waren, wo sie waren und was sie waren, und nachdem das alles geklärt war, sprachen sie von dem, was sie verloren hatten.
»Ich habe es immer wieder erlebt«, sagte Charlie. »Eher bei Männern als bei Frauen, aber es kommt definitiv bei beiden vor. Wenn der Ehepartner stirbt, ist es, als wäre der Überlebende mit ihm verhakt... wie Bergsteiger, von denen einer abgestürzt ist. Wahrscheinlich muss man die Leine kappen. Wenn der Überlebende nicht loslassen kann, reißt der Tote ihn mit sich ins Grab. Mir wäre es sicher so ergangen, wenn Sophie nicht wäre – und vielleicht auch meine Aufgabe als Totenbote. Es gab etwas, das größer war als ich, größer als mein Schmerz. Nur deshalb habe ich es so weit geschafft.«
»Gottvertrauen«, sagte Audrey. »Was es auch bedeuten mag. Es ist komisch. Als Esther zu mir kam, war sie richtig böse. Sie sollte sterben und war böse. Sie sagte, sie hätte ihr Leben lang an Jesus geglaubt, und jetzt müsse sie sterben, und Er hätte doch versprochen, dass sie ewig leben würde.«
»Also haben Sie gesagt: ›Das würde mir aber stinken, Esther.‹«
Audrey warf ein Kissen nach ihm. Sie mochte seine Art, noch den düstersten Momenten etwas Albernes abzugewinnen. »Nein, ich habe ihr gesagt, Er mag ihr ja vielleicht das ewige Leben versprochen haben, aber er hat nicht gesagt, in welcher Form. Nicht ihr Glaube ist enttäuscht worden – sie muss nur ihren Blickwinkel erweitern.«
»Was natürlich Kinderkacke war«, sagte Charlie.
Das nächste Kissen traf ihn an der Stirn. »Nein, es war kein Babypups.«
»Du fluchst wohl nie, was?«
Audrey merkte, dass sie rot anlief, und war froh über den orangefarbenen Kerzenschein. »Ich
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