Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
sie ihm bei seinem weiteren Fortkommen im Wege war. Nachdem er das Geld des Diakons angenommen und dessen Frau erschlagen hatte, sah er eine Möglichkeit, sich noch mehr zu bereichern, indem er die Kinder in ein benachbartes Königreich verschleppte und als Sklaven an einen Bauern verkaufte. Schließlich starb der Mann. Und mit seinem letzten Atemzug nannte er Ronan den Namen des Diakon, der ihn als Mörder gedungen hatte. Dieser war damals der Sekretär Deusdedits, des Erzbischofs von Canterbury …»
«Wighard!» rief Eadulf entsetzt. «Wollt Ihr damit sagen, Wighard habe seine Frau und seine Kinder mit Hilfe eines gedungenen Mörders aus dem Weg geräumt?»
Cornelius nickte bloß und fuhr fort: «Durch das Beichtgeheimnis gebunden, segnete Bruder Ronan den toten Mann, den er von einem so abscheulichen Verbrechen nicht lossprechen konnte, und begrub ihn außerhalb der Friedhofsmauer. Sein Wissen belastete ihn, aber er fühlte sich nicht in der Lage, Wighard zur Rechenschaft zu ziehen oder irgend jemandem davon zu erzählen. Er beschloß, Canterbury zu verlassen, nach Rom zu reisen und ein neues Leben zu beginnen. Als er Wighard in Rom sah und hörte, daß er von Seiner Heiligkeit zum Erzbischof von Canterbury berufen werden sollte, war er so entsetzt, daß er Osimo seine Geschichte anvertraute. Osimo berichtete sie dann später mir.»
«War Ronans Wut auf Wighard so groß, daß er ihm womöglich nach dem Leben trachtete?» fragte Licinius.
«Und sich danach genau auf die gleiche Weise das Leben nahm?» erwiderte Fidelma zweifelnd. «Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Wann hat Osimo Euch diese Geschichte erzählt, Cornelius?»
«An dem Tag, als wir darüber sprachen, wie wir das Geld für den arabischen Kaufmann beschaffen könnten. Ronan sagte, es sei keine Sünde, Wighard zu berauben. Ich wußte diese Bemerkung nicht zu deuten, und als wir später allein waren, vertraute Osimo mir alles an. Für ihn war es der Grund, warum Ronan meinte, Wighard habe es verdient, um seinen Schatz erleichtert zu werden.»
Eine Weile lang herrschte nachdenkliches Schweigen, dann sagte Fidelma: «Ich glaube Euch, Cornelius von Alexandria. Eure Geschichte ist viel zu unwahrscheinlich, um erfunden zu sein, und Ihr habt einiges an Schuld zugegeben.»
«Ihr seid ein kenntnisreicher Mann, Cornelius. Wißt Ihr zufällig irgend etwas über die Saturnalien?» wechselte sie unvermittelt das Thema.
«Die Saturnalien?» fragte der Alexandriner erstaunt. Auch Eadulf und Licinius blickten überrascht drein.
Fidelma nickte stumm.
«Die Saturnalien waren ein heidnisches Fest, das zu Ehren des Saturn gegen Ende Dezember gefeiert wurde», erklärte Cornelius. «Es war eine Zeit der Freude, des gegenseitigen Wohlwollens und der Geschenke. Alle Geschäfte ruhten, man kleidete sich festlich und ließ es sich Wohlergehen.»
«Und gab es während des Festes irgendwelche besonderen Bräuche?» hakte Fidelma nach.
Cornelius zuckte die Achseln. «Soweit ich weiß, begannen die Saturnalien mit einem Opfer im Tempel und einem öffentlichen Festessen für jedermann. Selbst das Glücksspiel war während des Festes erlaubt. Ach ja, und dann wurden die Standesunterschiede aufgehoben. Die Sklaven zogen die Kleider ihrer Herren an und wurden von allen Pflichten befreit, während ihre Herren sie bedienen mußten.»
Fidelmas Augen leuchteten auf, und ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. «Danke, Cornelius», meinte sie und stand auf.
«Und was wird aus mir?» fragte Cornelius und erhob sich ebenfalls schwerfällig von seinem Platz.
«Das kann ich im Augenblick noch nicht sagen», räumte Fidelma ein. «Ich werde dem superista Bericht erstatten, und ich nehme an, er wird die Angelegenheit dem Magistrat der Stadt übergeben. Was die Gesetze Roms betrifft, kenne ich mich nicht so gut aus.»
«In der Zwischenzeit», erklärte Furius Licinius nicht ohne Genugtuung, «wird man Euch in einer Zelle der custodes Obdach gewähren, und es wird Euch nicht so leicht fallen, von dort zu fliehen wie Eurem Spießgesellen Ronan Ragallach. Darauf habt Ihr mein Wort.»
Cornelius zuckte trotzig die Achseln. «Zumindest habe ich der Nachwelt einige große Werke erhalten, die sonst für immer verloren gewesen wären. Das ist meine Entschädigung.»
Licinius führte ihn zur Tür.
Da hatte Fidelma noch einen Einfall. «Wartet!»
Cornelius drehte sich um.
«Haben Ronan oder Osimo noch jemandem von dem angeblichen Mord an Wighards Frau und dem Verkauf der Kinder
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