Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
darstellte. Fidelma war mit ihren Studien beschäftigt gewesen und hatte ständig über alten Texten gebrütet. Cian dagegen war eher ein Mann der Tat, dem jegliches Verständnis für hochfliegende Gedanken fehlte.
Fidelma fielen die Worte des Propheten Arnos ein: «Können etwa zwei miteinander wandern, sie seien denn einig untereinander?» Doch trotz aller vernünftigen Vorhaltungen hatte das Ende dieser Liebe Fidelma tief verletzt. Davor war sie jung und sorglos gewesen, doch Cians Zurückweisung hatte sie ihrer Unbeschwertheit beraubt, auch wenn sie sich große Mühe gab, ihre Verbitterung zu verbergen. Sie hatte sich nie ganz von der Kränkung erholt, und konnte sie nicht vergessen – vielleicht ließ sie es auch nicht zu.
Fortan hatte Fidelma ihre ganze Tatkraft in ihre Studien gesteckt. Sie wollte etwas lernen und dieses Wissen anwenden. Gefühle für einen Mann hatte sie sich nie wieder gestattet, was jedoch nicht heißen sollte, daß sie jeder flüchtigen Liaison aus dem Weg gegangen wäre. Fidelma war ein Kind ihrer Kultur und empfand keinen Neid auf die Asketen des Glaubens, die sich alle natürlichen Freuden versagten. Die Leugnung des eigenen Körpers und seiner Bedürfnisse erschien Fidelma widersinnig, und sie glaubte nicht an den Zölibat. Keuschheit war ihrer Meinung nach eine persönliche Entscheidung, kein religiöses Dogma. Doch ihre Beziehungen zu Männern waren weder tief noch dauerhaft gewesen. Hin und wieder hatte sie sich mehr erhofft und geglaubt, daß es etwas Ernstes sei, und doch hatte es stets mit einer Enttäuschung geendet.
Fidelma ertappte sich dabei, wie sie den sächsischen Mönch nachdenklich betrachtete. Sie versuchte zu verstehen, warum sie sich in seiner Gegenwart immer so froh und geborgen fühlte – und das, obwohl sie sich so voneinander unterschieden und aus anderen Kulturen stammten. Sie erinnerte sich daran, wie ihre Freundin, Äbtissin Étain von Kildare, ihr erklärt hatte, warum sie ihr Amt für eine Heirat aufgeben wollte. «Manchmal weiß man einfach, was richtig ist, Fidelma. Wie zum Beispiel, wenn ein Mann und eine Frau sich kennenlernen und sofort ahnen, daß sie einander verstehen. Vom ersten Augenblick an empfinden sie eine fast unerklärliche Vertrautheit, die keiner langjährigen Freundschaft bedarf. Es ist, als wären zwei Teile plötzlich zu einem geworden.» Fidelma runzelte die Stirn. Sie wünschte, sie könnte so sicher sein wie die arme Étain.
Plötzlich wurde ihr bewußt, daß Eadulf verstummt war und auf eine Antwort wartete.
«Puttocs Ehrgeiz? Meint Ihr tatsächlich?» fragte sie schließlich und riß sich mühsam aus ihren Gedanken. «Warum hat er seine Anschuldigungen dann nicht einfach dem Heiligen Vater vorgetragen? Wäre Wighards schreckliches Geheimnis einmal bekannt geworden, hätte ihn niemand zum Erzbischof geweiht.»
Eadulf lächelte nachsichtig. «Aber welche Beweise hätte Puttoc vorlegen können? Er hatte das Ganze nur von Osimo gehört, der es wiederum von Ronan hatte, und der galt bereits als überführter Dieb. Ohne einen glaubwürdigen Zeugen hätte er einen so ungeheuren Vorwurf niemals erhärten können.»
Fidelma mußte ihm zustimmen.
«Außerdem», fuhr Eadulf fort, «hatte Puttoc ebenfalls ein dunkles Geheimnis, von dem zumindest Bruder Sebbi wußte, nämlich seinen lasterhaften Lebenswandel. Hätte er Wighard angeklagt, wäre er sicherlich auch in Schwierigkeiten geraten.»
«Mag sein», räumte Fidelma ein. «Aber ist Puttoc tatsächlich ehrgeizig genug, um den zukünftigen Erzbischof zu erdrosseln? Und warum hätte er Ronan Ragallach ermorden sollen, der doch der einzige Zeuge der ganzen Geschichte war?»
Eadulf zuckte die Achseln. «Bruder Sebbi hat bestätigt, daß Puttoc in jeder Hinsicht skrupellos ist», erwiderte er wenig überzeugend.
Sie erreichten das domus hospitale und eilten die Stufen hinauf.
Oben auf der Treppe blieb Eadulf plötzlich stehen und legte Fidelma eine Hand auf den Arm. «Meint Ihr nicht, daß wir auf Furius Licinius und seine custodes warten sollten, ehe wir uns mit Puttoc anlegen?»
Licinius hatte den Auftrag, Cornelius ins Wachhaus zu bringen; anschließend wollte er sie in Puttocs Zimmer treffen.
Fidelma schüttelte ungeduldig den Kopf. «Selbst wenn Puttoc der Täter sein sollte, bezweifele ich, daß er uns irgend etwas antun würde.»
Eadulf sah sie überrascht an. «Nach allem, was Cornelius uns erzählt hat, glaubt Ihr noch immer nicht an Puttocs Schuld?»
«Ganz sicher hat
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