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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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volles Dutzend Polizeibeamter aktiv geworden war. Er hatte sich beim Sturz vom Stuhl die linke Hand verstaucht und war vom Arzt mit einem elastischen Verband versorgt worden. Er war noch immer kreidebleich, und die Jodflecken auf seinem Gesicht wirkten wie Rost auf dem weißen Emaille einer Badewanne. Er hatte am meisten von den herumfliegenden Glassplittern abgekriegt. Jetzt fischte er nun schon die sechste Zigarette seit der Detonation aus der zerknautschten Packung.
    Zumpe kam stöhnend von der Toilette herauf, die rechte Hand flach auf den Magen gepreßt. Seine Hose war nicht richtig zugeknöpft, und Spritzer auf dem hellgrauen Jackett ließen darauf schließen, daß er sich erbrochen hatte. Ohnehin anfällig nach den täglichen Auseinandersetzungen mit seiner Frau und bei den Mahlzeiten auf Tabletten angewiesen, hatte der Schock sofort zu einem Gallenanfall geführt. In seinem Ekel vor allem Eßbaren warf er Kuhrings Frühstücksbrote, die auf der Erde herumlagen, in den Papierkorb und deckte eine alte Zeitung darüber. Er war vom Explosionsdruck zu Boden geschleudert worden, hatte sich aber lediglich einige Prellungen zugezogen, die im Augenblick so wenig schmerzten, daß er sie über dem heißen Puckern seiner Galle fast vergaß. Schon begann sich die Bauchspeicheldrüse zu regen. Heftiger auch wurde sein Sodbrennen, und als sich seine Magenwände so zusammenkrampften, daß er laut aufstöhnte, wußte er, daß die Heilung seiner Gastritis und seines Magengeschwürs um Monate zurückgeworfen worden war.
    Brockmüller saß zurückgelehnt in einem Sessel, der ansonsten den Herren Vorstandsmitgliedern vorbehalten war, wenn sie hier zusammenkamen, um neue Projekte zu erörtern. Er war noch immer benommen und nahm das Geschehen um sich herum nicht anders wahr, als wäre er gerade aus einer langen Narkose erwacht. Mit einem Eisbeutel, den einer der inzwischen abgerückten Sanitäter herbeigezaubert hatte, versuchte er, die zur Größe eines Hühnereies anschwellende Beule am Hinterkopf zu bekämpfen. Ihm schien, als sei er vorhin wie ein Torpedo auf die Kante des Aktenschrankes zugeschossen. Trotz allem war ihm irgendwie behaglich zumute, fast so euphorisch wie im Moment eines großen Erfolges. Ich habe überlegt, hämmerte es in seinem Hirn, ich habe überlebt! Seine Todesahnungen waren richtig und falsch zugleich gewesen. Jetzt war alles überstanden; jetzt würde er sein Kind zu sehen bekommen.
    Ihnen allen fiel es schwer zu begreifen, was geschehen war. Kuhrings Wagen war in die Luft geflogen, urplötzlich, ohne jeden sichtbaren Anlaß. Morgens um 9 Uhr 11. Fest stand auch, der metertiefe Krater bewies es, daß der Sprengkörper unter der Rasendecke gelegen hatte. Jetzt suchte ein Spezialist mit einer blitzenden Sonde, die irgendwie an eine ihrer Bohnermaschinen erinnerte, nach weiteren Blindgängern – denn niemand bezweifelte, daß hier ein Überbleibsel aus dem letzten Weltkrieg seine späte Wirkung gezeitigt hatte. Nach bald dreißig Jahren mußte aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen der Zünder plötzlich aktiviert worden sein.
    In der ersten Panik waren sie auf die Straße gestürzt, auch Brockmüller, und dann in einem nahen Restaurant vom Notarzt und einigen Sanitätern versorgt worden; etwa nach einer Stunde war ihnen aber vom Einsatzleiter erlaubt worden, in das Gebäude zurückzukehren, da keine unmittelbare Gefahr mehr bestehe.
    Während draußen die Reporter fotografierten, aber noch keine Erlaubnis zum Betreten des Hauses erhielten, warteten sie in ihrem demolierten Konferenzzimmer, ohne eigentlich eine Vorstellung von dem zu haben, was nun kommen sollte. Konnte man so einfach weiterarbeiten? Würde die Haus- und Grundstücksverwaltung einen Glaser schicken? Rückte eine Kolonne an, um den Schrott von Kuhrings Wagen einzusammeln? Ließ sich jemand von der Versicherung sehen, um zu prüfen, ob sich das Reparieren von Zumpes und Brockmüllers Auto noch lohnte? Kam möglicherweise der Generaldirektor selber zur Mansfelder Straße, um zu sehen, wie es bei ihnen aussah? Eine Vorschrift, die das Verhalten nach einer Explosion regelte, gab es überraschenderweise nicht.
    «Ich trink erst mal einen», sagte Kuhring. «Wer will denn noch ‘n Cognac?»
    Brockmüller und die Lux wollten, Zumpe schüttelte sich.
    Sie stürzten jeder zwei bis an den Rand gefüllte Gläser hinunter wie Wasser.
    Kuhring erregte sich. «Owi, dieser Blödmann, hat natürlich wieder den richtigen Riecher gehabt! Jeden Morgen

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