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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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in
einem Theaterstück. Hätte er mir mitgeteilt, daß sein Patient das Zeitliche
gesegnet habe, wäre ich nicht übermäßig verblüfft gewesen. Doch Georges Péricat
versuchte weder, mich zu verblüffen noch mich nicht zu verblüffen.
    „Er ruht sich aus“, sagte er, als er vor mir
stand. „Das Beruhigungsmittel tut seine Wirkung. In...“ Er sah auf die Uhr.
„Sagen wir, in einer halben Stunde, also etwa um halb acht, wird er mehr oder
weniger wieder auf dem Damm sein. Ich werde bei ihm bleiben. Bei seinem Herzen
kann man nie wissen... Es könnte ihm einen Streich spielen.“
    Er nahm den eisernen Handschuh einer Rüstung in
die Hand, so als wollte er dem Ritter den Puls fühlen. Jetzt stand er wieder
mit dem Rücken zu mir.
    „Er möchte Sie sprechen... Einzelheiten
erfahren. Ich weiß nicht, ob das ratsam ist...“
    „Auf jeden Fall ist es notwendig für die
Fortsetzung meiner Arbeit... oder für die Nicht-Fortsetzung“, sagte ich.
    Der Ritter hatte eine eiserne Gesundheit. Keine
erhöhte Temperatur. Der Arzt ließ die Eisenhand los und drehte sich zu mir um.
    „Verstehe“, murmelte er und heftete seinen Blick
auf eine andere Rüstung, die wohl die Symptome einer unbekannten Krankheit zeigte.
„Verstehe.“
    Seine abwesende Miene sprach eher für das
Gegenteil. Offensichtlich lag ihm eine Frage auf der Zunge. Er wußte jedoch
nicht, wie er sie herausbringen sollte, und zog es deshalb vor, sie nicht zu
stellen. Nach einem Rundblick durch die Ritterhalle bemerkte er:
    „Albert hat Ihnen nichts zu trinken gebracht...
Was halten Sie von einem Schluck Alkohol?“
    „Viel“, erwiderte ich. „Aber wie Sie schon so
richtig feststellten, hat der gute Albert nichts gebracht, was danach aussähe.“
Péricat ging hinaus, um diesem bedauerlichen Notstand abzuhelfen. Wieder
schlurften seine Füße über den Boden. Eine verschwenderische Natur hatte sie
nach dem größten Modell, das sie auf Lager hatte, angefertigt.
    Beinahe sofort war er wieder zurück.
    „Gehen wir nach nebenan“, schlug er vor.
    Wir betraten einen Salon, in dem die schon
erwähnte Uhr ihre Stunden abtickte. Kurz darauf erschien Albert, in den Händen
ein erfreulich bestücktes Tablett.
    „Rum und Martini, Messieurs“, verkündete er mit
der Stimme eines stilvollen Butlers, der an dem Schmerz seiner Herrschaft
Anteil nimmt.
    Er stellte das Tablett auf ein kleines
Tischchen.
    „Ist Mademoiselle Joëlle wieder zurück?“ fragte
ich ihn.
    „Noch nicht, Monsieur.“
    Er ging hinaus, um sich ein wenig gehenzulassen.
Jedenfalls hoffte ich das für ihn. Der Arzt schnappte sich sofort die
Rumflasche und bediente sich großzügig.
    „Bald werden Sie die gesamte Familie kennen“,
sagte er.
    „Das bringt mein Beruf so mit sich“, erwiderte
ich ausweichend.
    Ich goß mir einen Martini ein, fügte einen Spritzer
Wasser hinzu und setzte mich in einen Winkel. Péricat nahm in einem Lehnsessel
Platz. Sein Glas war bereits leer. Wortlos saß er da. Ich hatte ebenfalls kein
Bedürfnis zu reden. Nur die Standuhr zerhackte die Zeit, Sekunde für Sekunde,
Minute für Minute.
    Immer noch wortlos zündete sich der Arzt eine
Zigarette an und zog nervös an ihr, wie ein Anfänger. Ein Jünger Äskulaps wird
nervös, wenn sich der Zustand seines Lieblingspatienten verändert. Sei es, daß
er geheilt wird, sei es, daß er die Augen für immer schließt. Das verstand ich
sehr gut. Nach einigen Minuten stillen Trinkens kam Albert herein, um
nachzusehen, ob wir noch da waren.
    „Monsieur hat nach mir geläutet“, sagte er zu
mir mit der Stimme eines Kommissars vom Morddezernat. „Er wünscht Monsieur zu
sprechen.“
    Folgsam, wie ich bin, stand ich auf. Péricat tat
es mir nach, den Blick auf die Uhr gerichtet.
    „Erlauben Sie... Ich möchte mich vergewissern,
ob es ratsam ist.“
    Wir gingen hinauf. Ich wartete vor der Tür des
Alten, während der Arzt nachsah, ob sein Freund gesprächsbereit war. Nach
wenigen Minuten kam er wieder aus dem Zimmer.
    „Von mir aus können Sie hineingehen“, sagte er
resigniert und breitete seine Arme aus. Mit der Geste wollte er wohl
ausdrücken, daß er jede Verantwortung ablehne. „Wenn der alte Dickschädel sich
was in den Kopf gesetzt hat, kann man es ihm nicht ausreden.“
    „Keine Angst, Doktor“, beruhigte ich ihn
lächelnd, „ich werd ihn schon nicht umbringen.“
    Ich betrat das Krankenzimmer von Gérard
Flauvigny.
    Den Alten hatte der Tod seines Sohnes furchtbar
mitgenommen. Das sah man auf den ersten Blick.

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