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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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imstande,
das gezahlte Honorar von mir zurückzuverlangen.“
    „Brrr... Geben Sie mir schnell den versprochenen
Lohnabschlag, bevor’s zu spät ist.“
    Ich gab ihr drei Scheine, und sie schob sie in
ihre Jackentasche.
    „Ach!“ rief sie. „Das hab ich ganz vergessen...
Möchte wissen, was das ist.“
    Sie ließ ein Plastikstück auf ihrer Handfläche
hin und her rollen. Ein graues Röhrchen, ungefähr einen Zentimeter lang.
    „Das lag zwischen Tür und Fußmatte“, erklärte
sie. „Als ich mich bückte, um den Geruch zu lokalisieren, hab ich’s gefunden
und aufgehoben.“
    Ich nahm das Plastikstück in die Hand. Es kam
mir irgendwie bekannt vor. Hélène meinte, es könne zu einer Stricknadel
gehören. Ich schüttelte den Kopf.
    „Nein... Ich hab’s! Das ist das Plastikende
eines Schnürsenkels, mehr nicht.“
    Ich dachte schnell und heftig nach.
    „Gut, daß Sie’s aufgehoben haben.“
    Sie zwinkerte mir listig zu.
    „Spricht das nun für oder gegen die Selbstmord-
oder die Unfallthese?“
    Das Taxi fuhr langsamer. Der Chauffeur
entzifferte die Nummern der Häuser, an denen wir vorbeifuhren. Wir waren am
Ziel unserer Reise angelangt. Das enthob mich einer Antwort.
    „Bewahren Sie das Plastikstück auf, und fahren
Sie ins Büro“, sagte ich nur. „Reboul hat vielleicht Informationen über
Mercadier. Passen Sie gut aufs Telefon auf, ich werde Sie anrufen... falls ich
was zu erzählen habe. Voraussichtlich ist meine nächste Begegnung mit Flauvigny
gleichzeitig die letzte und das Ende unserer Geschäftsbeziehung. Ich werd schon
dafür sorgen...“
    Meine Sekretärin lächelte.
    „Dieser Fall ist aufregend und verdient ein
entsprechendes Ende“, sagte sie doppeldeutig. „Schon zwei Tote!“
    „Ja, das macht Appetit auf mehr.“
    Das Taxi hielt.
    „Auf Wiedersehen, Hélène.“
    Ich stieg aus. Der Wagen fuhr an. Ich winkte und
sagte noch einmal:
    „Wiedersehn, Hélène.“
    „Wieders... Verdammt!“
    Sie streckte ihren Kopf durchs Fenster und
blitzte mich wütend an. Ein köstlicher Anblick. Der Wind zerzauste ihr Haar.
    „He, soll das heißen, daß ich das Taxi bezahlen
muß?“
    Ich nickte. Das Taxi entfernte sich.
    Ich blickte an der Fassade des Hauses hoch, vor
dem ich stand. Mit seinen vier häßlichen Etagen war es bestimmt der Schandfleck
dieses schicken Viertels. Es sei denn, es war unter Denkmalschutz gestellt
worden. Doch danach sah es nicht aus. Ich nahm mir vor, mich später danach zu
erkundigen, und ging hinein.
    Wie sein Kollege in der Rue Tournefort wohnte
Dr. Péricat in der dritten Etage. Gehörte das auch zu den Verpflichtungen des
hippokratischen Eides?
    „Mein Name ist Nestor Burma“, sagte ich zu dem
Mann im kanonischen Alter, der mir die Tür öffnete. „Dr. Péricat erwartet
mich.“
    Der Mann ließ mich eintreten und führte mich
sofort zu dem Arzt. Péricat war ungefähr fünfzig und sah ernst, sympathisch und
verständnisvoll aus. Er trug eine Hausjacke, die vom häufigen Gebrauch an den
Ellbogen fast weiß, und einen Schnurrbart, der vom Tabakmißbrauch an den
Spitzen fast gelb war. Als behandelnder Arzt des reichen Gérard Flauvigny
schien er es nicht zu verstehen, anderen Patienten das Geld aus der Tasche zu
ziehen. Ich nahm mir fest vor, ihn bei dieser Art Übung zu übertreffen.
    Dr. Péricat musterte mich neugierig. Von Zeit zu
Zeit warf er einen Blick auf das Telefon, das in seiner Reichweite auf dem
Schreibtisch stand. Seine Neugier war entschuldbar. Solche Anrufe wie meinen
eben erhielt er bestimmt nicht oft. Ich zauberte meine Visitenkarte hervor und
reichte sie ihm. Er forderte mich auf, Platz zu nehmen.
    „Unser gemeinsamer Klient, Gérard Flauvigny“,
begann ich, „hat mich heute morgen damit beauftragt, seinen Sohn Roland zu...
äh... beobachten. Kennen Sie ihn? Ich meine den Sohn.“
    „Ja, ja.“
    „Monsieur Flauvigny machte sich Sorgen über den
Umgang seines Sprößlings. Ich wollte sobald wie möglich mit dem Jungen reden,
kam aber nicht dazu. Tote reden nicht... Ich meine immer noch den Sohn.“
    Der Arzt erbleichte.
    „Was?“ rief er entsetzt. „Ro... Roland Flauvigny
ist tot?“
    „Ja, ja“, sagte ich nun meinerseits. „Er liegt
in seiner Wohnung. Ich möchte Sie bitten, seinen Tod festzustellen.“
    Er stützte seine Hände auf dem Schreibtisch auf,
wobei er einige Papierstücke durcheinanderbrachte, und senkte den Kopf, so als
hebe er mit seinem gekrümmten Rücken eine Lokomotive an. Dabei ging es ihm nur
darum, sich aus seinem

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